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Friedhofsruhe im Karnickelland

■ Die Karnickeljäger haben ihre Jagdsaison eröffnet und gehen den Hasen mit Frettchen und Netzen ans Leben

„Während an der Nordsee die Robben sterben... ziehen in Berlin alljährlich Schlägerkolonnen mit Fallen und Netzen aus, um die wenigen noch überlebenden Hasen und Kaninchen einzufangen und umzubringen“, klagen die Tierversuchsgegner. Jeweils im Juli beauftragten die Wohnungsbaugesellschaften und die Gartenbauämter die Totschläger, „damit in Berlin endlich Friedhofsruhe einkehrt“. „Gönnen wir unseren Kindern wenigstens noch einen kleinen Eindruck von Natur in der Stadt und die Gelegenheit diese drolligen Tiere in Freiheit zu beobachten“, heißt es in einem Protestschreiben. Die Bäume und Blümchen würden eher durch den Sauren Regen beschädigt, als durch die letzten paar Karnickel, die durch Berlin hoppeln.

Das Gartenbauamt Tiergarten weist den Vorwurf zurück und bestätigt ihn zugleich: „Frettierer“ lautet die offizielle Bezeichnung für diese Art von Hobbyjägern, die mit amtlicher Erlaubnis und mit Hilfe eines Frettchens das Karnickel aus dem Bau treiben und es dann mit dem Netz einfangen. Für jeweils 60 bis 70 Mahlzeiten im Jahr gehen, zumindest im Bezirk Tiergarten, zehn bis fünfzehn dieser Frettierer auf die Pirsch, doch dem Kaninchenbestand würde das kaum schaden. Angesichts der herrschenden Karnickelplage blieben immer tausende über, so der technische Leiter des Gartenbauamtes, Schaaf. Geld bekommen die „Frettierer“ allerdings nicht für ihre Arbeit, dies sei schließlich ihr Hobby.

Von einer Kaninchenplage ist hingegen in der Hasenheide oder auf Grünflächen in Neukölln nichts bekannt, doch auch hier gibt es ungefähr fünf Frettierer. Früher schlichen sie noch über die Friedhöfe, um die Gräber vor einer Nagezahnattacke zu schützen. Das gebe es heute allerdings nicht mehr, versicherte der zuständige Mann vom Gartenbauamt. Einen „hohen Wildverbiß“ gebe es schon mal in der Gropiusstadt, und dort dürften dann die Frettierer jagen. An anderen Orten sei dies aber nicht nötig, betont er.

Sollte das etwa den bösen Verdacht der Tierschützer bestätigen, daß schon die meisten Karnickel bereits erschlagen wurden? Oder ist das ein Hinweis darauf, daß die Behörden sich auch andere Möglichkeiten zur Rettung von Stiefmüttchenrabatten ausdenken könen? An der Lipschitzallee hat man zum Beispiel einen Rosengarten einfach ein bißchen eingezäunt.

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