piwik no script img

Friedensbewegte im Kripo-Raster

■ Friedensinitiativen von Kripo, LKA und Verfassungsschutz observiert

Der „Friedensrundbrief Nummer 7“, ein internes Infoblatt der Friedensgruppen im Weser-Ems-Gebiet, war für die Polizei eine Fundgrube. Denn der Rundbrief enthielt 76 Adressen von aktiven Leuten. Nicht nur die Delmenhorster Kripo wertete den Rundbrief aus, sondern auch das Landeskrimialamt Niedersachsen und der Verfassungsschutz. Das geht aus einem Brief des niedersächsischen Innenministers Josef Stock an den Landtagsabgeordneten Udo Zempel (SPD) hervor. Gestern stelle Zempel die Ministerantwort der Presse vor.

Der Abgeordnete hatte Aufklärung über die Bespitzelung von Friedensinitiativen verlangt, nachdem ihm kripo-interner Schriftverkehr zugespielt worden war. Der Kripochef bei der Oldenburger Bezirksregierung hatte im Oktober 1983 Kopien des „Friedensrundbriefs“ an die einzelnen Inspektionen verschickt. Ein Sachbearbeiter Brand bei der Kripo in Delmenhorst notierte, was dort mit den Adressen aus dem Rundbrief geschehen sollte und sicher auch geschah: Auswerten, für „Sachakten“ ablichten, neue Sachakten anlegen über noch nicht erfaßte Friedensgruppen. Und: Für fünf Leute sollten „Kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlungen“ (KPS) angelegt werden.

Die KPS ist in der Regel nur eine schlichte Karteikarte, für die Polizei aber äußerst praktisch. Denn auf ihr ist vermerkt, in welchen anderen Dateien weitere Erkenntnisse zu finden sind. Die KPS ist also der Schlüssel zum kriminalpolizeilichen Personenprofil.

Deswegen ist die Einrichtung solcher Sammlungen an enge Voraussetzungen gebunden: Nur verurteilte Straftäter oder dringend Tatverdächtige dürfen in dieser Art erfaßt werden. Bereits im Januar 1984 hatte der Abgeordnete Zempel beim damaligen Innenminister Möklinghoff angefragt, ob Friedensinitiativen observiert worden seien. Die Antwort damals: Nein. Zempel gestern zu dieser Antwort: „Ich habe Möcklinghoff vertraut“.

Josef Stock, Möcklinghoffs Nachfolger im Amt, bestreitet jetzt in seinem Brief nicht, daß die Delmenhorster Kripo fünf KPS angelegt hat. Im Weser-Ems-Gebiet seien solche Sammlungen für insgesamt 24 Personen aus dem Adressenmaterial des „Friedensrundbriefs Nummmer 7“ angelegt worden, räumt er ein. Er rechtfertigt die Observation mit der Gefahr von Aktionen gegen militärische Einrichtungen. „Aus heutiger Sicht“ jedoch hätten die Beamten gegen Richtlinien verstoßen. Beim Landeskriminalamt und bei der Bezirksregierung seien jetzt„Arbeitsgruppen zur Aufklärung“ eingesetzt worden. Die fünf fraglichen Karteikarten seien inzwischen gelöscht worden.

Udo Zempel ist mit der Ministerantwort nicht zufrieden. Insbesondere sei nicht geklärt, vom wem die Initiative zu der Spitzelaktion angeordnet worden sei. An einen „Übereifer“ der Delmenhorster Kripo, wie es in einer ersten Ministerantwort hieß, glaubt Zempel nicht. Gleichwohl rückte er gestern von der Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß ab. Weitere Aufklärung sollen Sitzungen des Innenausschusses bringen. Im nächsten Jahr.

mw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen