: Frieden territoriale Kompromisse
Faisal Husseini und Yael Dayan plädieren gegen Groß-Palästina und Groß-Israel ■ D O K U M E N T A T I O N
1948 haben sich unsere Väter - Abdul Kader Husseini, Kommandeur der palästinensischen Armee, und Moshe Dayan, der spätere israelische Verteidigungsminister - auf dem Schlachtfeld bekämpft. Heute stehen wir gemeinsam in einer ganz anderen Schlacht. Einem Kampf, in dem es bei Juden und Arabern um etwas ganz wesentliches geht: zu verhindern, daß Extremismus den Friedensprozeß zerstört. In den vergangenen Wochen hat die Region eine beängstigende Eskalation der Gewalt durchlebt (...) Die Apologeten eines Groß-Palästina und eines Groß-Israel haben immer schon immense Probleme bereitet. Sie, die jeden Kompromiß ablehnen, treiben Araber wie Israelis in die gefährliche Nähe eines neuen Krieges, der tödlicher noch sein wird als der ihrer Väter. Die chemischen, biologischen und nuklearen Waffen in der Region lassen den Tod Hunderttausender Menschen möglich erscheinen. Eine solche Aussicht macht unseren Ruf nach Frieden im Moment noch dringender. Sicher sind wir uns in einer Reihe von Punkten nicht einig, aber über unser Ziel schon: eine durch Verhandlungen zu erreichende Einigung, die Selbstbestimmung und Sicherheit für Israel und Palästina bedeutet. Frieden beinhaltet schmerzliche Kompromisse auf beiden Seiten.
Wir haben die Einladung von „Amerikanern für 'Frieden Jetzt'“ angenommen, weil wir den Amerikanern, die auch an der jetzigen Situation beteiligt sind, mitteilen wollen, daß es keinen permanenten Status quo gibt. Es gibt nur zwei Alternativen: Frieden durch gegenseitige Anerkennung oder Krieg. (...) Inzwischen akzeptieren mindestens 54 Prozent der israelischen Bevölkerung Verhandlungen mit der PLO wenn die PLO Israel anerkennt und dem Terrorismus abschwört. Dieser Gefühlslage ist es auch zu verdanken, daß zwei Führer der Arbeiterpartei, Schimon Perez und Jizchak Rabin, in Kairo Friedensgesräche mit Palästinensern führen wollten, denen die PLO wahrscheinlich zugestimmt hätte. Premier Jizchak Schamir und Ariel Scharon, die diese Option zurückgewiesen haben, sind jetzt an der Macht. Ihre neue rechte Koalition baut auf die Unterstützung marginaler Extremisten - auch solcher, die nach einem „Transfer“ (Ausweisung) der Araber aus den besetzten Gebieten rufen. Eine Position, die der Großteil der Israelis nicht teilt.
Wir glauben, daß genau wie 1982, als eine erwachende israelische Öffentlichkeit die extremistische Regierung zum Rückzug aus dem Libanon zwang, öffentlicher Protest Schamir und Scharon von ihrem Groß-Israel-Plan abbringen wird. Immer noch wird die Forderung der PLO nach einer Zweistaaten -Lösung von der überwältigenden Mehrheit der Palästinenser in den besetzten Gebieten getragen. Sie stimmen darin mit mehr als 84 Prozent des Palästinensischen Nationalrates überein, die 1988 für die Zweistaaten-Lösung votierten.
Dieser Tendenz entspricht eine wachsende Friedensbewegung, die PLO-Sympathisanten in den besetzten Gebieten wie auch zionistische Friedensaktivisten einschließt. Es waren Tausende Aktivisten von „Frieden Jetzt“, die vergangenen Dezember die bisher größte Demonstration in Jerusalem veranstalteten. Sie forderten Frieden auf der Basis der Zweitstaaten-Lösung und Gespräche zwischen PLO und Israel. Auch wenn einige palästinensische Gruppen die Gewalt in den besetzten Gebieten anheizen, darf man den fundamentalen Wandel, der sowohl in der Intifada, bei PLO-Führern wie auch unter der palästinenischen Bevölkerung in den letzten beiden Jahren geschah, nicht vergessen. Sie wollen Israel nicht zerstören, sondern Seite an Seite mit ihm leben. Diesen Tatsachen muß die US-Regierung endlich in die Augen sehen. Als die USA entschieden, mit der PLO Gespräche zu führen, hat dies die Moderaten auf beiden Seiten gestärkt. Diesen Dialog zu suspendieren heißt, den Sieg den Kommandos am Strand oder den Extremisten, die jetzt die Regierung kontrollieren, zu übergeben. Washington sollte unbedingt die Kontakte mit der PLO erneuern und auf Gespräche drängen.
Wir beide haben unser bisheriges Leben mit den Konsequenzen der Stagnation gelebt. 42 Jahre, nachdem unsere Väter Krieg führten, haben wir begriffen, daß territoriale Kompromisse und beiderseitige Anerkennung keine naiven Träumereien sind. Sie sind die einzige Hoffung für das Überleben unserer Völker. Unseren Kindern zuliebe werden wir zusammenarbeiten. Bis diese Hoffnung Realität wird.
Faisal Husseini, Yael Dayan
Faisal Husseini ist einer der Wortführer der Palästinenser in der Westbank. Yael Dayan ist im Parteivorstand der „Arbeiterpartei“. Beide reisen momentan durch die USA. Der Kommentar erschien in der Wochenendausgabe der 'New York Times‘ vom 23. und 24.Juni (Übersetzung: Andrea Seibel)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen