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■ Am Mittwoch wird in Israel gewählt. Schimon Peres, der den Friedensprozeß in Nahost entscheidend vorangebracht hat, markiert jetzt den starken Mann. Likud-Chef Netanyahu mimt den Friedensapostel.Frieden durch Stärke

Am Mittwoch wird in Israel gewählt. Schimon Peres, der den Friedensprozeß in Nahost entscheidend vorangebracht hat, markiert jetzt den starken Mann. Likud-Chef Netanyahu mimt den Friedensapostel.

Frieden durch Stärke

Es seien die wichtigsten Wahlen in Israels 48jähriger Geschichte, zur Disposition stünden nicht weniger als der Friedensprozeß und die Sicherheit Israels. Eine Formel, die seit Wochen von Kommentatoren auf allen Seiten gepredigt wird. In krassem Widerspruch dazu steht allerdings die Langeweile, mit der sich die Kontrahenten in die historische Wahlschlacht geworfen haben. Schuld daran ist ein neues Wahlgesetz, das am 29. Mai erstmals angewendet werden soll. Künftig haben die vier Millionen WählerInnen zwei Stimmen. Mit einer wählen sie den Ministerpräsidenten erstmals direkt. Die andere können sie einer der 21 Parteien geben, die für die 120 Sitze im Parlament, der Knesset, antreten.

Der im November letzten Jahres ermordete Jitzhak Rabin hatte die Direktwahl des Ministerpräsidenten abgesegnet, damit dessen Position gestärkt und der Einfluß der kleinen Parteien geschwächt wird. Das neue Wahlgesetz unterstützt die ohnehin vorhandene Tendenz zur „Amerikanisierung“ israelischer Wahlen: Politisch relevant sind nur noch Arbeiterpartei und Likud – Schimon Peres und Benjamin Netanyahu. Die wöchentlichen Umfrageergebnisse haben den Wahlkampf inzwischen von einer ernsthaften politischen Debatte auf das Niveau eines Pferderennens reduziert.

Auf der Suche nach der Gunst der WählerInnen buhlen die zwei Großen in der politischen Mitte, stets darauf bedacht, ihre politischen Unterschiede verschwimmen zu lassen. Es geht vor allem darum, die Unentschlossenen unter den Anhängern der religiösen Parteien, den 600.000 russischen Neueinwanderern und die ErstwählerInnen für sich zu gewinnen.

Nicht erst seit der Libanon-Expedition versucht sich Peres als starker Mann zu etablieren. Wahlslogan der Arbeiterpartei: „Ein starkes Israel mit Peres“. Dessen rechter Gegenspieler Netanyahu verkauft sich indes als Friedensapostel: „Mit Netanyahu setzt sich der Friede durch“. Die Arbeiterpartei betont die „Sicherheit“, Likud unterstreicht den „Frieden“. Heraus kommt fast so etwas wie eine Wahlkampagne unter dem gemeinsamen Nenner: Frieden durch Stärke.

Angst der Arbeiterpartei vor Hamas-Anschlägen

Wer den Wahlkampf jenseits aller Slogans in Hinblick auf den Friedensprozeß und die bevorstehenden Schlußverhandlungen mit den Palästinensern betrachtet, entdeckt fast so etwas wie einen Konsens zwischen Arbeiterpartei und Likud: die Beibehaltung des Jordantales als Israels „Sicherheitsgrenze“; die Unantastbarkeit der Siedlungen; ein geeintes Jerusalem als ewige Hauptstadt Israels; kein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge. Tanya Reinhard, Linguistikdozentin an der Universität von Tel Aviv und politische Kolumnistin, beschreibt das ganze Szenario als „die Ablösung eines politischen Kampfes zwischen zwei Ideologien durch eine imaginäre Schlacht zwischen zwei verschiedenen Methoden, die gleiche Ideologie durchzusetzen“.

Nach den jüngsten Meinungsumfragen liegt Peres derzeit zwischen fünf und sieben Prozentpunkte vor Netanyahu. Viele Beobachter sehen für den kommenden Mittwoch dennoch ein Kopf- an-Kopf-Rennen voraus. Noch letzten Februar lag der amtierende Ministerpräsident fast 20 Prozent vor Likud, und es schien, als würde Netanyahu für immer in der politischen Versenkung verschwinden. Dann gab Peres seinem Geheimdienst grünes Licht, Yahia Ayyasch, einen der militärischen Köpfe der islamistischen Hamas in Gaza, umbringen zu lassen. Was folgte, war eine Serie von Bombenanschlägen in Israel, die innerhalb von neun Tagen nicht nur 59 Israelis das Leben, sondern auch Peres seinen Vorsprung kosteten.

Die größte Angst der regierenden Arbeiterpartei gilt nun der Möglichkeit eines weiteren Anschlages kurz vor den Wahlen, womit Peres Vorsprung mit ziemlicher Sicherheit dahinschmelzen würde. Viele Israelis sprechen in den letzen Tagen mit Unbehagen davon, daß „arabische Terroristen womöglich den Ausgang der Wahlen bestimmen“. Da hilft es auch wenig, wenn Innenminister und oberster Feldherr des Wahlkampfs der Arbeiterpartei, Haim Ramon, in einer Knesset-Debatte wenig überzeugend behauptete, daß „weder Teheran noch Hamas, noch Hisbollah, noch die islamische Dschihad-Gruppe bestimmen werden, wer der nächste Ministerpräsident Israels wird“.

Unterdessen wurde die Präsenz von Sicherheitskräften in Israel erneut verstärkt. An den Zufahrten zum palästinensischen Gaza-Streifen und zur Westbank kontrollieren nervös wirkende Soldaten die Abriegelung der palästinensischen Gebiete. Wer weder einen israelischen Ausweis noch einen ausländischen Paß oder eine Sondergenehmigung vorweisen kann, wird kurzerhand als potentieller Bombenleger zurückgeschickt. Karim El-Gawhary, Jerusalem

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