Freizeitspaß im Darm

In Frankreich soll mit dem „Bioscope“ ein gigantischer Themenpark gebaut werden. Gesundheitsförderung oder Reklame für Gentechnik?  ■ Von Achim Berger

Freiburg (taz) – Die Besucher sollen sich vorstellen, sie säßen in einem Kakaotropfen. Die Reise beginnt bei den Lippen, eine Wasserquelle spült den Kakaotropfen in den Hals und führt ihn durch die verschiedenen Verdauungsorgane: Speiseröhre, Magen, Darm, Niere, bis zur Ausscheidung. Die Organe bewegen sich und erzeugen Geräusche, so daß die zwölf Leute in ihrem Schiff die Reise als möglichst realistisch erleben.

So stellen sich französische Planer in den Wochenendbesuch als „Bionaut“ im „Gesundheitspark Bioscope“ vor. Entstehen soll der Freizeitpark bis zum Jahr 2001 im Elsaß – der genaue Standort und die Finanzierung des Projekts sollen bis Ende des Jahres feststehen. Jährlich 1,8 Millionen Leute werden kommen, so hoffen die Planer.

Erklärtes Ziel ist es, den ersten Freizeitpark zu schaffen, „dessen Zielsetzung sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt: Bewußtseinsbildung und Förderung der Gesundheit“. In fünf Themenbereichen von der Erkundung des menschlichen Körpers bis hin zur Zukunft des Lebens können die Besucher zwischen verschiedenen Niveaus wählen. Wer will, kann sich einfach nur vergnügen. Aber es gibt auch Seminarräume für ein besonders interessiertes Publikum.

In Architektur und Ausmaß geben sich die Projektmanager Mühe, mit ihren Konkurrenten mitzuhalten. Bei einer Fläche von 100 Hektar und zusätzlichem Wald von 50 Hektar soll der Park zwar kleiner werden als Disneyland, aber fast dreimal so groß wie der benachbarte „Europa-Park“ auf deutscher Seite. Die Architektur soll von „Offenheit, Transparenz, Harmonie, Globalität und Fülle“ geprägt sein, schließlich handele es sich um „all die Dimensionen, die mit dem Leben verbunden sind“. Damit die Besucher diese Art der Lebenserfahrung nicht ignorieren, schwebt eine 50 Meter hohe DNA- Doppelhelix, also ein Modell der menschlichen Genkette, über dem Park.

Diese Genkette symbolisiert nach Meinung von Umweltverbänden auch die wahren Absichten der Betreiber. In einer gemeinsamen Erklärung des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der französischen Alsace nature und des Basler Appells gegen Gentechnologie brandmarken sie das Bioscope als „grüngestrichenen Propagandapark“. Es handele sich um nichts anderes als eine neue Durchsetzungsstrategie für die Gentechnik, die mit der Biovalley-Gruppe, einem Zusammenschluß von Biotech-Firmen und Institutionen aus der Region (siehe Kasten) eng verbunden sei.

Eine Zusammenarbeit mit dem Bioscope-Park weist Bernhard Arnolds vom „Biovalley-Promotion- Team“ jedoch zurück. „Das ist ein unabhängiges französisches Projekt. Wenn auch ein willkommenes.“ Wer die Investitionen von 900 Millionen Franc neben dem französischen Staat aufbringen will, ist unbekannt. Es werde verhandelt, heißt es bei den Planern – auch mit deutschen Investoren.

Ein Planungsprospekt stützt dagegen die Vermutungen der Umweltgruppen: „Um seine Ziele zu erreichen, muß Biovalley gleichzeitig internationale Promotionaktivitäten entfalten und die Sorgen der Bürger über die Fortschritte im Biotechnikbereich aus dem Weg räumen (wachsende Angst vor Genmanipulationen). Das Bioscope wird sowohl Wahrzeichen von Biovalley darstellen, als auch ein transparenter Informationsraum über Forschungs- und Industrieaktivitäten in diesem Bereich sein.“ Von „aus dem Weg räumen“ der Kritik an der Gentechnik will Sandra Guillox von der Bioscope- Gesellschaft allerdings nichts wissen: „Es geht nicht um Werbung für die Gentechnik, sondern um Werbung für die gute Gesundheit. Von der Industrie lassen wir uns die Inhalte nicht diktieren.“ Außerdem wolle man mit einer Ethikkommission, in der auch Kritiker sitzen sollen, über die genauen Inhalte entscheiden.

Axel Mayer vom BUND südlicher Oberrhein hält indes nicht viel von solchen Kommissionen. Für ihn liegt auf der Hand, daß im ökologisch sensibilisierten Länderdreieck ein Modellversuch gestartet wird, wie mit suggestiver Unterhaltung kritische Fragen zur Gentechnik ausgeblendet werden sollen: „Nichts gegen einen Freizeitpark, aber wir brauchen eine öffentliche Diskussion und keine Propaganda.“

Für seinen Kollegen Jean Paul Lacote von der französischen Umweltgruppe Alsace nature steht ein anderer Aspekt des Projekts im Vordergrund: „Hier soll mit gigantischem Flächenverbrauch in ein ökologisch sehr sensibles Gebiet eingegriffen werden“, empört er sich. In der Tat liegt einer der möglichen Standorte direkt in einem Gebiet von seltenen Rhein-Auenwäldern, in dem eine Vielzahl von geschützten Tieren leben. Dort soll zwischen Kaiserstuhl und Colmar der Park als binationaler Standort die deutsche und die französische Rheinseite verbinden.

Nachdem das elsässische Regionalparlament ohne Gegenstimmen für das Bioscope gestimmt hat, muß jetzt noch die Standortfrage entschieden werden. Kommt es zum Bau in den Rheinauen, kündigt Mayer vom BUND länderübergreifenden Widerstand an: „Die Auen werden wir mit Klauen und Zähnen verteidigen.“ Gegen die befürchtete Gen-Tech-Promotion und ihren „Bio“-Sprachgebrauch müsse sich die Umweltbewegung jedoch erst einmal etwas einfallen lassen: „Bisher denken wir noch viel zu sehr in den alten Widerstandskategorien, müssen aber auch den neuen Strategien etwas entgegensetzen. Sonst versteht jeder in zehn Jahren unter Bioladen genetische Beratungsstätte.“