: Freispruch nach Totschlag an Vermieter
■ Staatsanwalt: Opfer war „unausstehlicher Mensch“
Die Jugendkammer des Bremer Landgerichts sprach gestern einen 18jährigen Bremer frei, der sich wegen Totschlags an einem 54 Jahre alten Bremer verantworten mußte. Die Richter begründeten das Urteil mit der Schuldunfähigkeit des Jugendlichen, der zur Tatzeit 17 Jahre alt war und sich seitdem in Untersuchungshaft befand. Als Begründung für die Tat hatte der Angeklagte erklärt, das Opfer habe ihn an seinen gewalttätigen Stiefvater erinnert.
Der voll geständige Angeklagte hatte während des Prozesses unter Tränen die Umstände der Tat geschildert, die im Anschluß an eine Muttertagsfeier im Mai dieses Jahres geschah. Der alkoholisierte Vermieter hatte danach zunächst versucht, sich an die Mutter des Angeklagten heranzumachen. Als der Sohn den Vermieter zur Rede stellen wollte, hatte dieser ihn mit den Worten „Du Hosenpisser hast mir nichts zu sagen“ beleidigt. Der Sohn stieß ihn darauf auf einen Sessel und schlug ihm mehrfach einen Aschenbecher auf den Kopf. Außer sich vor Wut versetzte er ihm 35 Messerstiche, würgte ihn mit einem Kabel und schnitt ihm die Kehle durch.
Das Gericht folgte mit dem Freispruch dem Antrag des Staatsanwaltes, der von einer „katastrophalen Kindheit und Jugend“ des Angeklagten gesprochen hatte, die „keinem Menschen zu wünschen sei“. Das Opfer sei ein „unausstehlicher Mensch“ gewesen, den niemand gemocht habe. Er habe die Mutter des Angeklagten, der er eine Wohnung vermietet hatte, drangsaliert und sie mit Kündigungen tyrannisiert. Entscheidend für das Tatmotiv sei neben der schützenden Haltung des Sohnes gegenüber seiner Mutter das rabiate Verhalten des Angeklagten gewesen. Dieser habe den Angeklagten an den gewalttätigen Stiefvater erinnert, der den Sohn „körperlich und seelisch gedemütigt und geknechtet“ hatte.
Die Verteidigung wies im Prozeß auf erhebliche Versäumnisse des Jugendamtes hin. Die Behörde hätte erkennen müssen, daß der Stiefvater des Angeklagten zur Gewalttätigkeit neigte und Frau und Kinder mißhandelt habe. Der Mann habe dem Sohn auch die Schuld am Tod eines jüngeren Bruders gegeben, der bei einem Badeunfall ertrunken war. Letztlich sei der Sohn Opfer versagender Eltern und Erzieher geworden. Die Betreuung durch einen Sozialarbeiter, der Aufenthalt in einem Heim und heilerzieherische Maßnahmen sollen künftig dafür sorgen, daß der 18jährige die Tatumstände aufarbeitet, für die er nach Aussagen der Richterin „nicht alleine verantwortlich ist“. dpa
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