: Freimarkt und Messe rücken sich zu nah
■ Schausteller verzichten auf 7.000 Quadratmeter / Architektur der Messehallen noch offen
Jedes Jahr zur Osterwiesenzeit laden die „Selbständigen in der SPD“ die Schausteller zum politischen Schoppengespräch, und jedesmal gibt es kräftige Worte. „Müssen die Schausteller, wo sie sich gebückt haben, den Hintern etwas höher halten, damit man da reintreten kann?“, fragte provozierend Verbandsvorsitzender Fehrensen. Thema des Gespräches: die Auswirkungen des Messe-Ausbaus auf den Freimarkt. SPD-Fraktionsvorsitzender Weber wie Marktmeister Ahrens waren zur „Schadensbegrenzung“ gekommen.
Während sich Weber mit den Schaustellern über deren Geschäft und die bremischen Steuereinnahmen freute, verabreichte der Marktmeister die bittere Pille: Von derzeit 107.000 Quadratmetern werden die Schausteller auf 100.000 heruntergehen müssen, es wird für alle enger und mindestens 10-20 der 370 Stände müssen wohl abgesagt werden. Die drängende Frage der Schausteller, wo sie denn sicher ihre Wagen parken könnten, blieb offen.
Der Abriß der Hallen IV und V und der Eislaufhalle soll am 20. Juni (nach der Fisch-Messe) beginnen und im Herbst fertig sein, so daß dann die Flächen für den Freimarkt genutzt werden können, versprach der Marktmeister. Denn vom 6. Mai an ist der gesamte Bereich an der Hollerallee per Bauzaun abgetrennt. Nur 11 Monate stehen dort als Bauzeit zur Verfügung: „Ich hoffe, daß die knappe Bauzeit eingehalten wird“, meinte Weber. Im April'97 soll die Messe „Dach und Wand“ hier stattfinden.
Daß der Zeitplan und der Kostenrahmen (126 Mio) eingehalten werden, so HVG-Sprecher Haar, sei Bedingung: „Dieses Finanzvolumen wollen wir nicht mit einer Mark überschreiten.“
Wie die neuen Messehallen aussehen und wer sie bauen soll, ist derweil heute noch unklar. „Wir bewerben uns ständig um die Projektsteuerung“, sagt der Chef der BreHoch, von Strauß. Aber bei der „Hanseatischen Veranstaltungs-Gesellschaft“ (HVG), der Konzernmutter von Messe-Gesellschaft und Stadthalle, kann man dem alten Hochbauamt da wenig Hoffnung machen: „Bauherrin werden wir“, sagt HVG-Geschäftsführer Sewig. Und die HVG sucht einen privaten Generalunternehmer. In den nächsten Tagen wollen Wirtschaftsressort und HVG die sieben Angebote sichten. Fünf davon beziehen sich auf das Konzept des Preisträgers, der Bremer Architekt Gert Schulze. Die Hochtief würde nach dem Konzept des zweiten Preisträgers bauen, die Bremer Baufirma Zechbau mit einem ganz anderen Architekten. Da für die Finanzierung in 1996 noch praktisch keine Gelder zur Verfügung stehen, muß der Bau von der HVG vorfinanziert werden, bestätigte Sewig.
Erst wenn die Entscheidung über die Ausschreibung gefallen ist, kann Bremen den Vertrag mit der Dachdecker-Innung über „Dach und Wand“ unterschreiben, die aber Mitte Mai erste Verträge für die 97'er Messe eingehen will.
Die Schausteller staunten ungläubig über diesen Zeitplan. Gut Beifall bekam die SPD-Politikerin Anneliese Leinemann, als sie verärgert erzählte, schon 1983, als sie noch in der Innendeputation saß, hätte die Fachmesse „Dach und Wand“ verlangt, daß neue Hallen gebaut würden. Damals habe man das abgelehnt, weil „14 Tage Dach und Wand“ die Kosten nicht rechtfertigen könnten. Nach der Dach und Wand käme nämlich im Messe-Kalender nichts nach. Die CDU habe den Messeausbau gegen die SPD durchgesetzt. K.W.
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