Freiheitstheater im Westjordanland: Nächtliche Razzia in Dschenin
Bei einer israelischen Militäraktion werden zwei Mitarbeiter des international bekannten Freiheitstheaters festgenommen. Warum, ist nicht bekannt.
JERUSALEM taz | Zwei Mitarbeiter des Freiheitstheaters Dschenin sitzen seit Mittwoch hinter Gittern. Nach Auskunft von Theatermitarbeitern umstellten gegen drei Uhr früh zwischen 40 und 50 israelische Soldaten das Gebäude und begannen, Steine gegen die Tür des Büro- und Schultrakts zu werfen. "Die Nachtwache und einer unserer technischen Studenten, der gestern Nacht Dienst hatte, wurden bis auf die Unterwäsche nach Waffen durchsucht", berichtete Jonatan Stanczak, Mitgründer des Theaters, auf telefonische Anfrage.
Die Aktion galt offenbar der Verhaftung von Adnan Naghnaghiye, dem lokalen Manager des Freiheitstheaters, sowie Bilal Saadi, Vorstandsmitglied des Theaters. Erst im April war vor der Tür des Gebäudes der Regisseur Juliano Mer-Khamis von bislang Unbekannten erschossen worden.
Die Verhaftungen stehen möglicherweise mit dem Mord an Mer-Khamis in Verbindung. Stanczak, der vier Jahre im Theater gearbeitet hat, versteht nicht, "warum sie mitten in der Nacht mit einem solchen Militäraufgebot herkommen mussten, wo sie doch einfach hätten anrufen können", um die beiden Palästinenser zur Vernehmung vorzuladen. "Adnan und Bilal wären natürlich sofort gekommen."
"Shut the fuck up"
Stattdessen hätten die maskierten und schwer bewaffneten Soldaten Naghnaghiye, der unmittelbar neben dem Theater wohnt, mitsamt Frau und Kindern aus dem Haus geholt und mit vorgehaltener Waffe und Hunden in Schach gehalten. "Als ich versucht habe, ihnen zu erklären, dass es hier um eine kulturelle Einrichtung geht, schimpfte einer der Soldaten: ,Shut the fuck up' und drohte mir mit Schlägen." Bilal Saadi wurde in seiner Wohnung im nördlichen Teil des Flüchtlingslagers festgenommen.
Eine Razzia dieser Art hat es im Freiheitstheater noch nicht gegeben. Zu den Gründern der im Jahr 2006 wiedereröffneten Bühne gehörte außer Mer-Khamis, Sohn einer jüdischen Mutter und eines arabischen Vaters, und Stanczak zwar noch Zakaria Sbeide, ehemals Chef der Al-Aqsa-Brigaden in Dschenin. Doch Sbeide steht seit Herbst 2007 nicht mehr auf der Gesuchtenliste der Armee. Damals schlossen die Fatah-nahen bewaffneten Truppen ein Waffenstillstandsabkommen mit Israel .
Obschon der Mord an Mer-Khamis fast vier Monate zurückliegt, scheint es noch immer keinen Hinweis auf einen Täter zu geben. Zwei Verdächtige, die Anfang April verhaftet worden waren, mussten aufgrund mangelnder Beweise wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Problematisch ist offenbar auch, dass mehrere Einheiten an der Untersuchung des Falls arbeiten: Schin Beth, Polizei und Armee auf israelischer Seite und die palästinensischen Sicherheitsdienste im Westjordanland. "Es ist völlig in Ordnung, wenn die Armee den Fall untersucht", sagt Stanczak. "Nur, dass sie dabei unser Theater zerstören, ist empörend." Sechs Fensterscheiben und die Eingangstür seien bei der Razzia zu Bruch gegangen.
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