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Freiheit im öffentlichen RaumHeimlich filmen geht nicht mehr

Das Verwaltungsgericht Hannover hat der Polizei die Videoüberwachung in der bisherigen Form untersagt. Kameras müssen gekennzeichnet und für Passanten zu entdecken sein.

Ob sie es auch bis ins Zimmer des Oberbürgermeisters im Neuen Rathaus schafft? Eine Kamera auf einem Hausdach gegenüber des niedersächsischen Landtags. Bild: dpa

HANNOVER taz | Die Videoüberwachung der Polizei Hannover hat das Verwaltungsgericht gekippt. Polizeikameras im öffentlichen Raum sind mit Hinweisschildern zu kennzeichnen - oder abzuschalten, urteilte das Gericht am Donnerstag.

Geklagt hatte dort Michael Ebeling vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Hannover (AK Vorrat). 78 Kameras hat die Polizei an 55 Standorten im hannoverschen Stadtgebiet installiert. Dass überwacht wird, ist bislang vor Ort allerdings nicht ausgewiesen. Lediglich im Internet listet die Polizei die einzelnen Kameras auf. Eine Verletzung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung kritisiert Ebeling.

Mit dem AK Vorrat kämpft er seit Jahren gegen die Videoüberwachung in Hannover. Mehrfach hat er Polizeipräsident Uwe Binias wegen der fehlenden Kennzeichnung angeschrieben, zwei Petitionen beim Landtag eingereicht - vergeblich.

Big Brother in Hannover

In ganz Niedersachsen ist die Zahl der Polizei-Kameras zwischen 2001 und 2008 von 144 auf 602 gestiegen. Die 78 Kameras in Hannover sind ohne Hinweisschild kaum zu erkennen:

In 66 Metern Höhe ist etwa die Kamera auf dem Conti-Hochhaus am Königsworther Platz montiert, am Kröpcke hängt eine in rund 20 Metern Höhe.

Mit Zoom, Schwenkarm und Aufzeichnungstechnik sind alle 78 Kameras der hannoverschen Polizei ausgestattet.

Aufgezeichnet wird nach Angaben der Polizei von weniger als der Hälfte der Kameras.

Nach fünf Tagen und fünf Stunden sollen die Aufnahmen wieder überschrieben werden.

Dabei ist Ebeling mit seiner Kritik nicht allein: Niedersachsens Landesdatenschutzbehörde hatte ungekennzeichnete Polizeikameras schon im April 2010 gerügt. Fünf der sechs niedersächsischen Polizeidirektionen besserten umgehend nach. Nur in Hannover stellte man sich quer - mit Rückendeckung von Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Eine Weisung mochte der seiner Behörde nicht erteilen. Für Ebeling vom AK Vorrat ist der Gang vors Gericht nun das "letzte Mittel".

Dort verweist sein Anwalt Johannes Hentschel auf das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (NSOG), das auch Überwachungsmaßnahmen regelt. Demnach darf die Polizei öffentliche Räume zwar zur Gefahrenabwehr per Video überwachen - allerdings muss sie "offen beobachten". Eine Veröffentlichung der Kamera-Standorte im Internet reiche da nicht, macht Hentschel deutlich. "Es muss die Möglichkeit geben, sich der Überwachung zu entziehen", sagt er, "und das geht nur, wenn es vor Ort Hinweisschilder gibt." Die Internet-Angaben ständig mit dem Stadtplan abgleichen zu müssen, sei nicht zumutbar.

Völlig anders sieht man das bei der Polizeidirektion Hannover: Eine Rechtspflicht, die Kameras zu kennzeichnen gebe es nicht, sagt ihr leitender Regierungsdirektor Michael Haunschild, der vor Gericht als Verteidiger auftritt. Transparenz beweise man mit der Auflistung im Internet. Und die Möglichkeit, die Kameras vor Ort zu entdecken, ist für Haunschild auch jetzt schon gegeben - "wenn man genau hinguckt". Die Wahrscheinlichkeit, gefilmt zu werden, sei ohnehin "sehr gering", fügt dem Hannovers Polizeidirektor Knut Lindenau hinzu. "Meist laufen die Bilder der Kameras ins Leere", räumt er ein. Am Monitor der Leitzentrale der Polizei werde in der Regel nur bei Hinweisen von BürgerInnen auf Straftaten im öffentlichen Raum hingeschaut. "Um zu gucken, ob das stimmt", so Lindenau.

Den Vorsitzenden Richter Werner Reccius überzeugte das nicht. Die gesetzlich geforderte Offenheit der Überwachung verlange mehr: "Es muss vor Ort deutlich werden, dass dort eine Beobachtung zumindest potenziell stattfindet", sagte er bei der Urteilsverkündung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung könne nur wahrnehmen, wer Kenntnis von der Überwachung hat. Und dazu brauche es eine "vernünftige Markierung der Bereiche". So lange es die nicht gibt, sind die Polizeikameras abzustellen. Laufen dürfen nur noch Kameras zur Beobachtung des fließenden Verkehrs. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht Berufung zugelassen.

Darüber werde man gemeinsam mit dem Innenministerium beraten, kündigte Haunschild für die Polizei Hannover an. Das Innenministerium selbst wollte sich auf taz-Nachfrage nicht äußern.

Ebelings Anwalt Hentschel sagte, jeder andere Gerichtsentscheid hätte ihn überrascht. Nach der Frage der Kennzeichnung der Kameras erwäge man nun, die Auswahl der Standorte gerichtlich prüfen zu lassen. Ein Großteil der 78 Kameras wurde zur Männer-Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wegen der besonderen Gefahrenlage angebracht. Fünf Jahre später sind sie immer noch in Betrieb.

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3 Kommentare

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  • P
    pablo

    weider ein schönes beispiel dafür wieviel von seiten der regierungen (ob landes oder bundesregierung ist egal) von den im Grundgesetz verankerten grundrechten halten und wie sie damit umgehen. und ein weiterer beweis dafür das länder und kommunen nicht zuwenig geld haben sondern zuviel sonst würden sie bbei solch klaren rechtsverstößen nicht erst die gerichte dafür bemühen und steuergelder verschleudern.

  • C
    Chris

    Ja, sowas gibt es schon: http://osm.leitstelle511.net/

     

    Hierbei geht es allerdings nur um die Polizeikameras, das sind 78 Stück. Was eine Kennzeichnung auf einem Stadtplan gegenüber dem Internetauftritt der Polizeidirektion für Vorteile haben soll, ist mir allerdings unklar. Es geht doch grade darum, dass man vor Ort informiert ist und nicht erst selber tätig werden muss. Es müssen mindestens gut sichtbare Schilder an allen überwachten Plätzen angebracht werden.

  • A
    A.Kamer

    hmmmm, oder man kennzeichnet zumindest die Kamerastandorte auf dem Stadtplan. kann natürlich dann sein, dass vor lauter Kameras der Stadtplan nicht mehr sichtbar ist. Oder gibt's sowas schon im Netz?