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Freiheit, aber nur gegen Thaler

■ 1646 kam der Deal zustande, der Bremer Stadtrechte im „Linzer Diplom“ festschrieb / Heute wird gefeiert.

Man nehme, Mehl Zucker, Zimt und Rum, knete das Ganze, füge noch dies oder das hinzu und schon wird eine Linzer Torte draus.

„Man nehme“ dachte sich auch der Rat der Stadt Bremen vor 350 Jahren, als er mit dem „Linzer Diplom“ an eine Bestätigung der Reichsfreiheit kam. Ein Schnäppchen auf dem Markt der Freibriefe und Diplome, das sich damals wie heute rentierte. Das „Linzer Diplom“ sicherte nicht nur den Status der ersten freien Reichsstadt. Auch heute noch hat es ein Gewicht, das sich in die Waagschale werfen läßt, wenn es um die Nordstaat-Debatte und die Auflösung der kleinen Stadtstaaten in Bremen geht. Kein Wunder also, daß 1996 gefeiert wird, während 1896, als Bremen sich auf dem Höhepunkt seines wirtschaftlichen Macht und seiner Selbstbewußtseins befand, kein Mensch einen Gedanken an das „Linzer Diplom“ verschwendete.

Dabei ist alles erstunken und erlogen: Nichts Wesentliches stelle das „Linzer Diplom“ dar, sondern „eine von allen Seiten getürkte Anerkenneung des de-facto-Zustandes“, sagt Helmut Einfalt, der als Mitarbeiter des Temmen-Verlag, Autor (s.untenstehenden Text) und Linzer in Bremen lebt. Auch Herbert Schwarzwälder äußert sich skeptisch in seiner „Geschichte der Freien Hansestadt Bremen“. Die Begründung für die Urkunde hielte „einer kritischen Betrachtung kaum stand: Es stimmt eben nicht, daß Bremen –von uralten Zeiten hero' Reichsstadt gewesen war“. Wirkliche Beweise für die Reichsstandschaft konnte der Rat nicht vorlegen. Zumal ein weiterer Landesherr in der Person des Bischof noch in der Stadt saß und mit seinem Anhang durchgefüttert werden mußte. Um so verlockender die Chance, für die Stadt, sich die städtische Eigenständigkeit bestätigen zu lassen, die zwar nie bestanden hatte, aber seit langem gewünscht wurde.

Und sie ließ sich kaufen.100.000 Reichsthaler sollte die Bremer das Diplom kosten. „Der Kaiser war einen kluger Mann und Bremen damals eine reiche Stadt. 100.000 Reichsthaler, das war in etwa das Höchstmaß dessen, was sich aus dem Handel herausschlagen ließ“, schätzt Helmut Einfalt. Der Kaufwert im Jahre 1646 dürfte heute in etwa 50 Millionen Mark oder gar 10 Milliarden Mark, die Meinungen der Experten gehen auseinander, entsprechen. Klar ist nur, daß die Forderung kein Pappenstil war. Zumal die Zahl der Steuerzahler überschaubar und gering war. Nur 500 Bürger zahlten ins Stadtsäckel ein. Dennoch entschied der Rat der Stadt schnell und nach auch heute gültigem Rezept: Man machte Schulden. Selbstverständlich wurde die Ratsversammlung nicht vorher um Erlaubnis, die hatte nämlich zuvor bereits abgelehnt. Die nächsten Monate wurden zu einer Zitterpartie.

In Osnabrück saß der kaiserliche Gesandte Graf Maximilian von und zu Trauttmannsdorff, der auf zeitgenössischen Abbildungen ausgesprochen grimmig dreinschaut, auf dem begehrten „Linzer Diplom“. In Bremen versuchten die Ratsherrn unter Anstrengung aller Kräfte, Geld locker zu machen. Und zwischen den Städten pendelte als Unterhändler der Ratherr Gerhard Coch hin und her und versuchte den Unterhändler bei Geduld und Laune zu halten, während die Stadt zur Eile gemahnt werden mußte. Ein schwieriges Geschäft, denn schon bald war klar, die Bremer hatten große Schwierigkeiten, Bares aufzutreiben. Es galt Verhandlungen mit niederländischen Kaufleuten zu führen und Wechsel zu erstellen. Wieder einmal machte die Stadt Bremen Schulden, diesmal in nie dagewesenen Höhe. Dazu kamen noch diverse ausgestreckte Hände, die den Betrag um weitere zehn Prozent erhöhten. Endlich wurde das Geld in Teilzahlungen und Raten nach Osnabrück geschafft. Man hatte es auf hanseatische Weise sicher verpackt: in Lederbeutel eingenäht und in Stockfischtonnen vernagelt.

Am 10. August schien der Tag der Übergabe gekommen. 48 große und 24 kleine Beutel enthielten den restlichen Betrag von 1100 Reichtzhalern. So glatt sollte es nicht gehen. Zu Mittag geriet dem Grafen von und zu Trauttmannsdorf beim Essen „eine Crebsschere in den Halß“, an der er zu ersticken drohte. Man brachte ihn zu Bett, an eine Übergabe war nicht zu denken. Und plötzlich der Hofmeister des Grafen bei dem Unterhändler Coch und reklamierte 1500 weitere Reichsthaler. Endlich am 31. August lag dann das Diplom durch das Kaiser Ferdinand III. am 1. Juni Bremen zur unmittelbaren Freien Reichstadt erhoben hatte, im Rathaus vor.

Dort konnte man die schriftliche Bestätigung gut brauchen. Kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg mußte man wieder um die Unabhängigkeit der Stadt fürchten. Der Bund der Hanse war zerfallen, und die Schweden traten als stärkste militärische Kraft Europas auf. Ihre Anspruch dehnte sich auch auf Bremen aus, das sich während des Dreißigjährigen Krieges noch hatte neutral halten können. Nicht zur Unrecht fühlte sich der Rat der Stadt in Bedrängnis.

Mit dem Linzer Diplom bot sich die Chance, durch Kaiser Ferdinand III. das Schicksal der Stadt zumindest schwarz auf weiß abzusichern. Die Gunst des römisch-deutschen Kaisers hielt an, er sicherte Bremen im Friedensvertrag, der den Schweden übergeben wurde, zu, daß die Stadt Reichstadt bleibe.

Ob die Feiern zum „Linzer Diplom“ den gleichen beschworenen Effekt haben werden, wird man sehen. Kam man die Bremer Unabhängigkeit über die nächten 350 Jahre mit einem Stück Kuchen retten? 3000 Sücke Linzer Torte werden am Samstag unter die Bremer gebracht. Ein vergleichsweise bescheidener Bestechungsversuch.

Susanne Raubold

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