: Freigeister erobern den Olymp
■ Höhepunkt im Jazzport-Zelt: John McLaughlin mit dem Trio „The Free Spirits“ im Rausch der Töne und Rhythmen
„In der Musik sind wir alle zu Hause“, lautet ein Statement des Großmeisters auf der Gitarre. Am Donnerstag spielte er mit seiner Band im Jazzport-Zelt am Hafen. Das Programm der Free Spirits mit Joey DeFrancesco an Hammond Orgel und Trompete, dem Brecker-Brothers-Band erprobten Drummer Dennis Chambers, war eine hochprozentige Mixtur aus allen musikalischen Stoffen. Der Blues als Basis eines auch tanzbaren, an Wes Montgommery, Thelonious Monk und Jimmy Smith erinnernden Jazz ist elementar für die Band: „Der Blues ist in jeder Musik, egal welchen Ursprungs. Den Blues hat jeder“, sagt McLaughlin.
Über zwei Stunden spielten die drei Magier mit soviel Energie, Sensibilität und Lebensfreude, wie es nur in Sternstunden geschieht. Das Motto des Abends gab McLaughlin bereits beim Sound-check aus: „Wir wissen nicht, ob wir morgen tot sind. Alles verändert sich, jeder Tag ist neu und anders für jeden. Dies gilt im Leben, wie in der Musik. Dies könnte heute mein letztes Konzert sein.“
Die Zuhörer staunten gebannt, schweißgebadet, glücklich und zappelnd mit Gänsehaut und offenen Mündern. Die soulig rhythmisierte Orgel, die treibenden, so nie gehörten Grooves der Drums und die Gitarre in allen Variationen: gestreichelt, gequält, hart, bluesig, cool, verliebt, melancholisch, frei und geordnet, swingend und funky.
Die Leidenschaftlichkeit und Brillanz aller drei Meister war schon visuell ein Ereignis. Chambers bewegte nur die Handgelenke, doch man hörte zwei Drummer. Wunderschön die von einer Cool-Jazz Gitarre getragenen Trompeten-Balladen, die eine Brücke schlugen zwischen Chet Baker und Miles Davis; McLaughlin lächelte verklärt über die in immer ungeahntere Höhen getriebenen Läufe seiner Mitspieler, dann wieder verspannte Gesichtszüge in der Zwiesprache mit seiner handgearbeiteten Halb-Ressonance Gibson und Gott. Musik als Gebet: Gospel-Jazz. Worte, die das Jahrzehnt-Konzert nicht wiedergeben können. Wer dabei war, hat die Botschaft gehört: „Music is light.“
Gunnar F. Gerlach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen