: Freiflug gegen Blutzoll
■ Airlines und Rotes Kreuz organisierten in Tegel „Blutspende-Party“ / Happening der alten Spender-Hasen / Das Deutsche Rote Kreuz hat Wiederholung angedroht
Während Berlins Restgläubige gestern in leeren, angenehm kühlen Gotteshäusern sich das Blut des Herrn einverleibten, ließen sich andere, denen es ebenso irgendwie um die Gemeinschaft zu tun war, partiell entleiben: auf der „Ersten Blutspende-Party“ des Deutschen Roten Kreuzes auf dem Tegeler Flughafen.
Rette Leben! steht als Fahrziel über dem Einstieg des beigen Doppelgelenkbusses, in dem am laufenden Band Frischblutkonserven aus willigen Armbeugen gezogen werden. Die Abgabe will erwartet sein, Schlangen vor dem Formalitäten-Zelt, wo der Fragebogen zum „Allgemeinzustand“ ausgefüllt wird, vor dem Mann auf dem Fahrersitz, der die Röhrchen ausgibt, vor der Ausgabe des „Spenderimbiß“, der Natural-Entschädigung für den Blutverlust.
Kulturell aufgewertet wird der bloße Spendedienst durch Bratwurstbüdchen (Wir danken der Firma Herta-Fleischwaren), Schnapsausgabe und Jazz-Musik, die allerdings gegen den Düsenlärm vom Rollfeld, den Bus-Generator und das Kühlgebläse der rollenden Blutbank nicht die geringste Chance hat. Daneben betreiben die alliierten Fluggesellschaften Vorortarbeit zur besseren Flugauslastung, wer bluten will, gewinnt: z.B. einen Flug nach Amsterdam oder in andere echte Weltstädte. Wer die dargebotenen Bordverpflegungsbestände verschmäht, kann in wundervoll nach Manöver duftenden oliv-grünen DRK-Zelten Kaffee tanken oder sich per Video über die wichtigen Aufgaben „weißer Blutkörperchen“ informieren. Die Party ist direkt am Aufgang zur Besucher-Terrasse des Lufthafens aufgebaut, wohl um auch noch einige Winkende anzapfen zu können.
Flachlegen, anstechen, vier bis zehn Minuten Auslaufzeit. Nach zehn Minuten Ruhe darf der edle Spender stolz verpflastert den Bus verlassen. Treiben tut ihn die Ahnung „mich könnte es ja auch mal erwischen“. Trotz großer Show sind die hochmotivierten mehrfachen „Echtspender“ (die, die es gratis tun) unter sich, einige mit Silber-Jubiläum, 25 Mal. Mögliche „Erstspender“ bleiben skeptisch („Det Blut, det wird doch verscheuert“). „Frischblutspender“ (die, die es für Geld tun) sind hier gar nicht zugelassen, sie werden dank Top-Kondition (antikörperfrei, kollapsresistent, gut zugängliche Venen) in den drei „City-Entnahmestellen“ des DRK regelmäßig rangenommen und kassieren pro Halbliter 45 Mark.
Dank Tombola erwarteten die Rot-Kreuzler gegen Abend das Rekordergebnis von 160 Konserven. Immerhin rund die Hälfte der täglichen Berliner Spendenblutflut.
kotte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen