: Freie Radikale
■ Mehr als Experiment und Eigenbrötelei: Die Table of the Elements-Tour mit San Augustin und den Presocratics
1997 gab sich Jeff Hunt bescheiden. „Wir ziehen es vor“, antwortete er auf eine Interviewanfrage, „unsere Künstler in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen.“ Hunt ist – mit Kristina Johnson – Betreiber des Labels Table of the Elements, und zu den Künstlern, auf die er verwies, zählten oder zählen einige der bekanntes-ten Namen eines musikalischen Avantgarde-Verständnisses zwischen experimentellem Gitarren-Freestyle und europäischer Elektro-Akustik, Minimal Music und Postrock: Gitarrenbastler wie Sonic Youths Thurston Moore und Lee Ranaldo, Keiji Haino, Tony Conrad, Gastr del Sols Jim O'Rourke und David Grubbs, Loren Mazzacane Connors, Henry Kaiser oder Derek Bailey, oder auch Fieps- und Knirschlaut-Arrangeure wie Carl Michael von Hauswolff oder Ralf Wehowksy.
1993 erschien mit Zeena Parkins' Nightmare Alley die erste CD des Labels, das von da an mit einer markanten Veröffentlichungspraxis vorging: Jedem Tonträger (wie auch anderen Aktivitäten, etwa Festivals) wird im Sinne des Labelnamens ein chemisches Element aus dem Periodensystem zugeordnet. So trug Nightmare Alley die Bezeichnung „Hydrogen 1“, das Solo-Debüt von David Grubbs bekam 1997 „Zinc 30“ zugedacht, und Works And Days von den Presocratics, im vergangenen Jahr erschienen, ist „Hafnium 72“.
Besagte Presocratics und San Agustin bilden das Line-Up, wenn Table of the Elements jetzt den bisher nachdrücklichsten Versuch unternimmt, eine interessierte Öffentlichkeit auch diesseits des Atlantik zu erreichen: Eine Tour, die in ers-ter Linie ein finanzielles Risiko sein dürfte. Schließlich sind beide Formationen kaum bekannt – und der Labelkatalog bisher allenfalls „eingeschränkt kommerziell“ (Kristina Johnson) verwertbar gewesen. Aber die Mischung könnte Erfolg versprechen: San Agustin machen offenen Trio-Core zwischen den zerfaserten Emo-Gewittern von Storm & Stress und Loren Mazzacane Connors' sediert-zähem Instrumental-Wüstenblues.
Über die Presocratics schrieb die New Yorker Village Voice, sie entsprächen Black Sabbath, wenn Gastr del Sol Led Zeppelin wären. Nach langen Passagen elektroakus-tischer Collage, von Knackslauten und Kurzwellenstörgeräuschen blitzt Need Thomas Windham auf Works And Days als vereinsamter Singer/Songwriter auf und belohnt den langen Atem der Zuhörer mit einer betörenden Version von „Moon River“. Ob diese Perle auch zum Live-Set gehört, bleibt abzuwarten. Immerhin steht aber im Anschluss Labelchef Hunt persönlich hinter den Plattenspielern, um zwischen Song und Sägezahnkurve zu vermitteln. Alexander Diehl
mit DJ Jeff Hunt: Donnerstag, 21 Uhr, Molotow
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