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Freiburger Alkoholverbot aufgehobenTrinken wieder erlaubt

Im Freiburger Ausgehviertel darf wieder auf der Straße getrunken werden, entschied der Verwaltungsgerichtshof. Randgruppen darf das öffentliche Trinken nicht pauschal verboten werden.

"Nicht jeder, der trinkt, wird deswegen zum Schläger", meint Antragsteller John Philipp Thurn. Bild: ap

FREIBURG taz | Die von den Grünen regierte Stadt Freiburg ist mit ihren bundesweit beachteten Alkoholverboten gescheitert. Am Dienstag hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim zwei Freiburger Verordnungen zum Alkoholkonsum im öffentlichen Raum für rechtswidrig erklärt. Kläger war in beiden Fällen der Doktorand John Philipp Thurn (27).

Seit Ende 2007 hat die Stadt im Freiburger Ausgehviertel ("Bermudadreieck") strenge Regeln eingeführt. An Wochenenden darf auf der Straße nachts kein mitgebrachter Alkohol mehr getrunken werden. Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) wollte damit die Zahl der Prügeleien reduzieren. Denn nach bisheriger Erfahrung waren die meisten Randalierer betrunken. Salomon sah besonders das schnelle Trinken mitgebrachten billigen Alkohols als gefahrenträchtig an. Kläger Thurn, ein linker Jurist, hielt dagegen: "Die ganz große Mehrzahl der Leute, die auf der Straße ein Bier trinkt, wird nicht gewalttätig."

Der VGH gab Thurn nun recht. Ein Verbot des bloßen Alkoholtrinkens sei nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich. Das Polizeigesetz von Baden-Württemberg fordere für ein solches Verbot eine "abstrakte Gefahr", die aber beim Trinken eines Biers oder eines Rum-Mix-Getränkes auf der Straße noch nicht gegeben sei. Richter Karl-Heinz Weingärtner: "Die enthemmende Wirkung von Alkohol kann zwar zu aggressivem Verhalten führen, aber nicht typischerweise bei jedem."

Die Mannheimer Entscheidung wird überregional Beachtung finden. Viele Städte, darunter Hamburg und Düsseldorf, haben sich für das Freiburger Modell interessiert. Kommunen wie Marburg, Ilmenau und Magdeburg haben bereits örtliche Alkoholverbote erlassen.

Kassiert hat der VGH gestern auch den sogenannten Randgruppen-Trinkparagrafen, der Ende 2007 in die allgemeine Freiburger Polizeiverordnung eingefügt wurde. Hier wird das Trinken von Alkohol verboten, wenn "dauerhaft" an öffentlichen Orten gelagert wird, dies "überwiegend" dem Alkoholkonsum dient und "die Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen". Der VGH hielt diese Klausel für "zu unbestimmt". Es sei nicht recht klar, was noch erlaubt und was schon verboten ist.

Dieses zweite Verbot galt im ganzen Stadtgebiet und nicht nur am Wochenende. Es zielte vor allem auf Alkoholiker, Obdachlose und Punks, die mit aggressivem Verhalten untereinander und gegen Dritte immer wieder Bürger ängstigen und vom Gebrauch bestimmter Plätze abhalten. Bisher hat die Polizei die Klausel aber nur zweimal konkret angewandt. Ähnliche Regeln gelten aber in vielen deutschen Kommunen. (Az.: 1 S 2200/08 und 2340/08)

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16 Kommentare

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  • GW
    Grüne weinen heute

    Ein tolles Signal aus FREIburg und eine schallende Ohrfeige für die spaßfeindlichen grünen Linksspießer. Als nächstes müssen jetzt diese lächerlichen Umweltzonen gekippt werden.

  • I
    Ireneluise

    Na schön, jetzt ist wieder legal, was auch während des Verbots gemacht wurde: saufen und rumgrölen, weils so lustig ist, die Anwohner zu ärgern. Es ist neuerdings überaus schick, sich assig zu verhalten. Nettes Beiwerk: Bierflaschen vor Hauseingängen stehen lassen (die Leutchen müssen echt Geld im Überfluss haben), die Sonntagszeitung kreativ auf der ganzen Straße verteilen, weil jemand es gewagt hat, sonntagmorgens um sechs Uhr um Ruhe zu bitten. Da ist mir echt wurscht, ob ein paar Zecher sich dann auch noch prügeln. Mit der Ruhe ist es schon lang vorbei. Und das hat nix mit BW-Mief zu tun.

  • GL
    Gaston Lagaffe

    Ich als junger Freiburger begrüße diese Entscheidung. Nicht weil ich jedes Wochenende betrunkem im Bermuda-Dreieck umherirre, sondern weil es Freiburg in den den letzten zwei Jahren geschafft hat, Jugendliche und junge Erwachsene durch Gesetzte und Regelungen von der Innenstadt verzuhalten - es sei denn man sitz in einer Kneipe/Lokal und bezahlt für sein Feierabendbier. So ziemlich alle öffentlichen Plätze wurden für Jugendliche gesperrt sei es durch Gesetzte (wie im Bermuda-Dreieck) durch Regelungen (Augustiner-Platz, Sternwaldwiese) oder schlicht durch Bebauung (Dreisam-Ufer). Es gibt so kaum zentrale Ausweichmöglichkeiten auf denen man nicht gezwungen wird den Freiburger Lokalen das Geld in den Rachen zu schmeißen.

  • C
    Christoph

    Wichtig wäre hierbei doch die Frage:

    Hat das Verbot denn eigentlich gewirkt? Wie sahen die Statistiken aus? Sind die Delikte geringer geworden?

    Wenn ja: Sind in den umliegenden Bezirken/Gegenden die Delikte gestiegen? Ist die Anzahl der Delikte also wirklich gesunken oder hat sich das Ganze nur verlagert?

     

    Leider fehlt dazu alles Wichtige an Statistiken...

  • P
    Peter

    Richtig, das Urteil. Die Provinzfürsten schnüren uns noch den Hals ab. Nur noch Gängeleien, Verbote um nichts mehr tun zu müssen.Scheiss Provinzpolitiker

  • J
    Jan

    Grundsätzlich ist es doch eine Frage, wie weit der Staat noch in den öffentlichen Raum eingreifen kann. Videoüberwachung, Kontrolle konformen Verhaltens, blinde Reglementierung von Rauschmitteln und Verbotszonen für das Prekariat sind letztendlich populistischer Unfug, der letztendlich der "gefühlten Sicherheit" der Bourgeoisie dient. Drogenkriminalität und Gewalt werden damit aus dem Subkontext der Gesellschaft genommen und als singuläre Entscheidungen isoliert.

  • O
    ole

    Wußte ich noch nicht... nun weiß ich es.

    Naja, was für ein Schwachsinn. Ich stelle mir gerade vor: Mein Kiez in Berlin in einer angenehmen Sommernacht und ab 22.00 Uhr müßte ich die Flasche Bier verstecken...

    Typisch BW-Mief. Kein Wunder, daß so viele junge Leute von da unten nach Berlin ziehen.

  • V
    Vokobro

    "Und deswegen muss man überlegen, was kann man dagegen machen, um Menschen zu schützen."

     

    Wenn die Herren wirklich ueberlegen wuerden, was man gegen die Gewalt unternehmen kann, wuerden sie auf die Erkenntniss kommen, dass man keine Symptome sondern Ursachen bekaempfen muss um Probleme zu loesen! Das ist doch allgemein bekannt und hat die Geschichte immer wieder bewiesen. Ich frage mich jedesmal warum gebildete Menschen, was leitende Personen doch wohl sein sollten, immer so engstirnig denken und den ersten moeglichen Weg waehlen der sie aber garantiert an den naechsten Baum knallen laesst.

     

    Alkoholkonsum ist keine Ursache. Er ist ein Symptom!

  • GW
    Grüne weinen heute

    Ein tolles Signal aus FREIburg und eine schallende Ohrfeige für die spaßfeindlichen grünen Linksspießer. Als nächstes müssen jetzt diese lächerlichen Umweltzonen gekippt werden.

  • I
    Ireneluise

    Na schön, jetzt ist wieder legal, was auch während des Verbots gemacht wurde: saufen und rumgrölen, weils so lustig ist, die Anwohner zu ärgern. Es ist neuerdings überaus schick, sich assig zu verhalten. Nettes Beiwerk: Bierflaschen vor Hauseingängen stehen lassen (die Leutchen müssen echt Geld im Überfluss haben), die Sonntagszeitung kreativ auf der ganzen Straße verteilen, weil jemand es gewagt hat, sonntagmorgens um sechs Uhr um Ruhe zu bitten. Da ist mir echt wurscht, ob ein paar Zecher sich dann auch noch prügeln. Mit der Ruhe ist es schon lang vorbei. Und das hat nix mit BW-Mief zu tun.

  • GL
    Gaston Lagaffe

    Ich als junger Freiburger begrüße diese Entscheidung. Nicht weil ich jedes Wochenende betrunkem im Bermuda-Dreieck umherirre, sondern weil es Freiburg in den den letzten zwei Jahren geschafft hat, Jugendliche und junge Erwachsene durch Gesetzte und Regelungen von der Innenstadt verzuhalten - es sei denn man sitz in einer Kneipe/Lokal und bezahlt für sein Feierabendbier. So ziemlich alle öffentlichen Plätze wurden für Jugendliche gesperrt sei es durch Gesetzte (wie im Bermuda-Dreieck) durch Regelungen (Augustiner-Platz, Sternwaldwiese) oder schlicht durch Bebauung (Dreisam-Ufer). Es gibt so kaum zentrale Ausweichmöglichkeiten auf denen man nicht gezwungen wird den Freiburger Lokalen das Geld in den Rachen zu schmeißen.

  • C
    Christoph

    Wichtig wäre hierbei doch die Frage:

    Hat das Verbot denn eigentlich gewirkt? Wie sahen die Statistiken aus? Sind die Delikte geringer geworden?

    Wenn ja: Sind in den umliegenden Bezirken/Gegenden die Delikte gestiegen? Ist die Anzahl der Delikte also wirklich gesunken oder hat sich das Ganze nur verlagert?

     

    Leider fehlt dazu alles Wichtige an Statistiken...

  • P
    Peter

    Richtig, das Urteil. Die Provinzfürsten schnüren uns noch den Hals ab. Nur noch Gängeleien, Verbote um nichts mehr tun zu müssen.Scheiss Provinzpolitiker

  • J
    Jan

    Grundsätzlich ist es doch eine Frage, wie weit der Staat noch in den öffentlichen Raum eingreifen kann. Videoüberwachung, Kontrolle konformen Verhaltens, blinde Reglementierung von Rauschmitteln und Verbotszonen für das Prekariat sind letztendlich populistischer Unfug, der letztendlich der "gefühlten Sicherheit" der Bourgeoisie dient. Drogenkriminalität und Gewalt werden damit aus dem Subkontext der Gesellschaft genommen und als singuläre Entscheidungen isoliert.

  • O
    ole

    Wußte ich noch nicht... nun weiß ich es.

    Naja, was für ein Schwachsinn. Ich stelle mir gerade vor: Mein Kiez in Berlin in einer angenehmen Sommernacht und ab 22.00 Uhr müßte ich die Flasche Bier verstecken...

    Typisch BW-Mief. Kein Wunder, daß so viele junge Leute von da unten nach Berlin ziehen.

  • V
    Vokobro

    "Und deswegen muss man überlegen, was kann man dagegen machen, um Menschen zu schützen."

     

    Wenn die Herren wirklich ueberlegen wuerden, was man gegen die Gewalt unternehmen kann, wuerden sie auf die Erkenntniss kommen, dass man keine Symptome sondern Ursachen bekaempfen muss um Probleme zu loesen! Das ist doch allgemein bekannt und hat die Geschichte immer wieder bewiesen. Ich frage mich jedesmal warum gebildete Menschen, was leitende Personen doch wohl sein sollten, immer so engstirnig denken und den ersten moeglichen Weg waehlen der sie aber garantiert an den naechsten Baum knallen laesst.

     

    Alkoholkonsum ist keine Ursache. Er ist ein Symptom!