: Frei Parken wegen RAF-Drohung
■ Wer darf warum überall rumparken? Warum so manches Bußgeld flötengeht
Senatoren und Journalisten haben sie, Staatsräte und der Leiter des Straßen- und Brückenbauamtes haben sie nicht. Siemens und das Wasserwirtschaftsamt haben sie, Ärzte brauchen und Außenhandelsvertreter kriegen sie nicht.
Ein kleiner, gelber Schein, ganz lapidar und hinter der Windschutzscheibe angebracht, erspart denen, die ihn haben, viel Zeit und so manches Knöllchen: Eine Sonderparkgenehmigung ist eine feine Sache. Sie wollen auf einen kurzen Kaffee in die City? Kein Problem, stellen Sie Ihr Auto ruhigen Gewissens im eingeschränkten Halteverbot ab und trinken Sie gleich einen auf die enttäuschte Politesse mit.
Nun gut, so ist es natürlich nicht gedacht: Wenn die Deutsche Städtereklame ihre Plakatwände neu bekleben muß oder die Aufzugswartungsfirma X ihren Fahrstuhl wieder zum Laufen bringen soll, müssen die Firmen ihre Fahrzeuge mit den Arbeitsgeräten derweil irgendwo abstellen — oft da, wo sonst niemand stehen darf. Und dann beantragen sie eine Sonderparkerlaubnis bei der Straßenverkehrsbehörde — die letztlich darüber entscheidet, wer rein arbeitstechnisch gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen muß und deshalb eine Ausnahmegenehmigung benötigt.
„Die sind schon von ihrer Natur her sehr restriktiv zu erteilen“, bemerkt Ingwer Martensen, Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörde. „Grundsätzlich gilt diese Ausnahme für Schwerbehinderte, und sonst für niemanden.“ Aber da wären noch, wie bereits erwähnt, diverse Firmen- und Werkstattwagen, weiterhin Behörden, die im Außendienst arbeiten ( — daß die meist ihre Privatfahrzeuge zum Dienstgebrauch mitnutzen und auch alle nicht erlaubten Parkplätze an ihrer Dienststelle belegen, tut nichts zur Sache); und wenn eine Wahl ansteht, bemerken das die MitarbeiterInnen der Straßenverkehrsbehörde an den Anträgen der Parteien, die ihnen auf den Tisch flattern: Im Wahlkampf bekommen deren Fahrzeuge zum Plakatekleben nämlich auch einen Freiparkschein.
Last but not least haben alle SenatorInnenfahrzeuge eine. Wozu? Bürgermeister Wedemeier aus Sicherheitsgründen, startet sein Sprecher Klaus Sondergeld einen Erklärungsversuch: Seit Klaus Wedemeiers Name auf einer Liste der RAF auftauchte, muß er auf regelmäßigen Strecken mit einer Panzerlimousine und Bodyguards durch die Stadt fahren — Sicherheitsbestimmungen. Und er darf sein Auto darf vor der Seitenfront des Rathauses parken: „Direkt unter den Fenstern, damit es unter Beobachtung bleiben und niemand sich daran zu schaffen machen kann“, sagt Sondergeld.
Etwas merkwürdig mutet diese Erklärung schon an, schließlich fährt der Bürgermeister nicht, sondern wird gefahren — an den Sitzungen nimmt der Chauffeur im Regelfall nun nicht teil.
Neu wäre zudem, daß Namen wie Lemke-Schulte, van Nispen oder Uhl auf irgendwelchen RAF-Listen aufgetaucht sind — aber auch deren Dienstfahrzeuge dürfen vor dem Rathaus stehen und müssen sich nicht um eingeschränkte Halteverbote kümmern. „Dieser Raum ist dem Sinn nach dem Wirtschaftsverkehr vorbehalten“, erläutert Martensen. Also: Jäger darf, Fücks — der hat sowieso keinen Dienstwagen, aber ein Uhl-Transport als Wirtschaftsverkehr?
„Wenn man die STVO genau nimmt, dürften auch die Senatoren keine Sonderparkgenehmigungen haben“, findet Klaus Hinte. Das fällt also unter die Kategorie „Privileg“. „Ich habe da aber einen relativ harten Daumen drauf: Sonstige Honoratioren bekommen den Schein nicht!“ Obwohl ihm damit so manches honorige Schulterklopfen entginge, das fügt er noch hinzu.
Bremen ist offensichtlich ein Ausnahmefall: In Köln gehört die großzügige Vergabe der Freiparkscheine zum „Kölschen Klüngel“. Aber auch in anderen Bundesländern können die Politessen dem einen oder anderen Mitbürger kein Geld mehr aus der Tasche ziehen. Hinte weiß das aus eigener Erfahrung: „Ich habe mal mit eigenen Augen gesehen, wie ein STVO-Referent in einem Landesministerium einen Schein aus der Tasche gezogen hat, der ihn von allen Regeln der Straßenverkehrsordnung befreit. Der könnte rückwärts auf der Autobahn fahren, und niemand könnte ihm was. So'n Mist machen wir in Bremen nicht.“
Susanne Kaiser
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