Frederik Eikmanns über das Chancenaufenthaltsrecht: Eine echte Erfolgsstory
Die AfD will mal wieder einen Skandal gefunden haben. Rund 82.000 Menschen haben bislang vom sogenannten Chancenaufenthaltsrecht profitiert, teilte die Bundesregierung auf Anfrage der Rechtsextremen mit. Die ziehen nun ihre übliche Empörungsshow ab. Doch worin die AfD-Politiker*innen ein Problem sehen, ist eine echte Erfolgsgeschichte. Das Chancenaufenthaltsrecht beschloss die Ampelkoalition 2022, um Menschen zu einem regulären Aufenthaltstitel zu verhelfen, die bisher nur geduldet sind, also nur bleiben dürfen, weil man sie nicht abschieben kann. Gründe sind häufig eine ungeklärte Identität oder Krankheiten.
Mit dem Chancenaufenthaltsrecht bekamen solche Personen und ihre Angehörigen zunächst einen Aufenthaltstitel für 18 Monate, wenn sie eine Reihe von Bedingungen erfüllten: Sie mussten mindestens 5 Jahre in Deutschland sein, keine Vorstrafen haben und nicht wiederholt über ihre Identität gelogen haben. Mit der temporären Aufenthaltserlaubnis sollte der Weg in die Gesellschaft geebnet werden: Wer eine Arbeit fand und Deutsch lernte, bekam anschließend eine dauerhafte Bleibeperspektive.
Selbst in der kältesten, menschenfeindlichsten Logik ist das sinnvoll. Es geht schließlich um Personen, die eben nicht abgeschoben werden können. Was spricht dagegen, diese Personen aus dem belastenden Schwebezustand der Dauerduldung herauszuholen? Doch nicht nur die AfD, auch die Union ist gegen das Chancenaufenthaltsrecht. In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD wollten CDU und CSU es ganz streichen. Die Sozialdemokrat*innen konnten immerhin heraushandeln, dass es eine Art Ersatz gibt. Klar ist aber schon jetzt, dass dabei die Kriterien deutlich schärfer werden. Und hier liegt der eigentliche Skandal: Es sollen künftig nämlich nur noch Personen infrage kommen, die ihren Lebensunterhalt schon selbst bestreiten, also bereits einen Job haben. Dabei ist es ja gerade die Arbeitssuche, die mit einer Duldung sehr schwer ist. Genau das war einer der Hauptgründe, das Chancenaufenthaltsrecht überhaupt erst einzuführen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen