■ Standbild: Frdl. Besuch
„Die heilige Kuh“, Dienstag, 22.45 Uhr, West3
Früher war die Konferenzetage rot getüncht, dort droben im noblen Think-Tank hoch überm Hamburger Hafen. Das hat sich geändert. Rot sind nur noch der Rahmen des Blattes und die Nase des Ressortleiters Deutschland – als habe der sich selbst als Alt-68er bezichtigende Zeilenwart sämtlich rotlastigen Ingredienzen schniefschnüffelnd aufgesogen. Schön, die anonymen Gesichter hinter unserer bunten Montagsillustrierten mal vorgeführt zu bekommen. Die Redaktion der gleichnamigen Sendung erklärte das „völkische Kampfblatt“ (Gremliza) zur heiligen Kuh und bot vierzehn AutorInnen auf, es..., nein, nicht zu schlachten, wie der Vorspann der Sendung hätte vermuten lassen können, allwo eine Keramikkuh sinnbildlich mit Wucht zerdeppert wurde. Es war eine höfliche Beschreibung des Giganten, ein Freundschaftsbesuch. Vielleicht gebot die Räson ein moderates Porträt des „unberechenbaren Monsters“ (Antje Vollmer), denn dieses läßt für gewöhnlich kein fahrendes Volk in seine schmucke Höhle. Kurzer Exkurs: Gar zu gern würde ich einmal sehen, wie ein Team von „Spiegel-TV“ mit bewährten Sturm-und-Drang-Methoden Zugang zur eigenen Zentrale zu erkämpfen versucht... zu Karneval vielleicht? Damit Zitronen- Aust auch mal was zu lachen hat. Apropos: Welches ist der Lieblingsfilm aller „Spiegel-TV“-Redakteure? Lösung siehe unten. Jedenfalls überließen die Reporter von der „heiligen Kuh“ die Frechheiten lieber anderen, dem versiert stänkernden Hermann L. Gremliza etwa, NRW-Minister Schnoor, schreibenden Schergen konkurrierender Betriebe und dem erwartbaren Enzensberger, der „das Amtsblatt für den pflichtbewußten Studienrat“ (David Addison) bereits 1957 feinsinnig zerpflückte. Was ihn freilich nicht hindert, die inkriminierten Seiten gelegentlich vollzuschreiben. Erfrischend keck gab sich Erich Böhme, der im vollen Bewußtsein des makabren Doppelsinns reminiszierte, wie in den Tagen seiner Herrschaft über „die vierte Gewalt im Staate“ (Volksmund) Uwe Barschel selig „hingerichtet“ wurde. Das war einer der wirklich lohnenden Momente dieser Dokumentation, der mehr Biß gut angestanden hätte, um dem programmatischen Titel gerecht zu werden. Heilige Kühe sind schließlich dazu da, geschlachtet zu werden. Herr Dittmeyer
Lösung: der Brando-Klassiker „Den Aust im Nacken“
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