: Frauensport geht in die Knie
■ Die Sportkolumne von Hagen Boßdorf
Der Verkauf von Plastblumen war in der Vergangenenheit nicht die einzige Aktion des Demokratischen Frauenbundes zum Frauentag. Er gab auch einem internationalen Sportereignis einen Namen, einen Pokal und auch ein bißchen Geld. Zum DFD -Turnier im Hallenhandball treffen sich seit 21 Jahren Frauenteams aus Ost und West in Neubrandenburg.
„Frauen im Hochleistungssport“ ist nun ein umstrittenes Thema für sich. Erst recht, wenn es um DDR-Frauen geht. Das schwache Geschlecht war oft stark genug, zur Freude des vor allem männlichen Sport-Volkes Siege und Medaillien zu sammeln. Zwei Weltmeistertitel und Olympiamedaillien im Frauenhandball gehören dazu. Die Hälfe der DDR-Olympiasieger ist ohnehin weiblich. Hier war die Quotenregelung durchgesetzt. Die Sport- und anderen Funktionäre erklärten uns dann die Gründe des Erfolges: Vom täglichen Existenzkampf in der Ausbeutergesellschaft befreit, hätte sich die sozialistische Frau auf den Weg zu Sieg und Ruhm gemacht. Sozusagen schnurstraks vom Kochtopf in die Turnhalle. Nun sollen sich die Zeiten ändern. Das Kapital guckt nicht mehr nur durch das Schlüsselloch. Die Tür steht offen. Kultur und Sport werden Diener des Geldes. Was nicht rentabel ist, wird über Bord geworfen. Die Betriebe als Geldgeber überlegen sich, welche Mannschaften sie sich überhaupt noch leisten. Weibliche sind es ganz selten. Bei ihnen kommen weniger Zuschauer in die Halle und weniger Gelder in die Kasse. Der Frauensport steht in der DDR vielleicht auf schönen, aber auf wackligen Beinen.
Die Handballerinnen zum Beispiel treten nun die Flucht nach vorne an. Wer beim DFD-Turnier das Trikot der DDR noch überstreift, ist hoch motiviert. Die Spielerinnen wollen sich anbieten. Fast geschlossen bereitet das sozialistische Kollektiv den Schritt in den kapitalistischen Westen vor. Manche Trainer gehen gleich mit. Vorher haben sie gemeinsam im vielleicht letzten Länderspiel die BRD-Vertretung vom Parkett gepustet. Eventuell wollten sie den künftigen Vereinskameradinnen schon mal zeigen, wer in Zukunft den Ball als Chefin in der Hand hält. Bei den Hierbleibern macht sicht Resignation breit. Die spielen noch um den DDR -Meistertitel. Den vorletzten oder doch schon den letzten.
Es war ein vollkommener Irrtum, daß in einer modernen Gesellschaft wie der BRD, kein materieller Rahmen für sportliche Betätigung von Mädchen und Frauen vorhanden wäre. Aber es war kein Irrtum, sondern ein folgenschwerer Fehler, daß in der DDR auch im Frauensport alles nach Stars und Rekorden strebte. Wer nicht mithielt, fiel durch den Kader -Rost. Wer erst einmal gefallen war, konnte von der sonst so gerühmten Förderung nur noch träumen. Auch darum hat sich der Plastblumen-DFD nicht gekümmert. Und jetzt ist es wohl zu spät.
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