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Frauenlobbyistin über Europawahl"Gleichstellung ist kein großes Thema"

Die Präsidentin der Europäischen Frauenlobby, Brigitte Triems, will Quote für die EU-Kommission. Gleichstellung stehe nun zwar im Lissabon-Vertrag, Frauenthemen würden derzeit jedoch "weggedrückt".

"Bei der FDP taucht das Wort Gleichstellung überhaupt nicht auf, obwohl die Partei eine Spitzenkandidatin (Silvana Koch-Mehrin, Foto) hat." Bild: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Frau Triems, welche Partei sollten Frauen am Sonntag wählen?

Brigitte Triems

Die Politikwissenschaftlerin ist seit Oktober 2008 die Präsidentin der Europäischen Frauenlobby EWL, die über 4.000 Frauenorganisationen in Europa repräsentiert. Sie arbeitet als Geschäftsführerin einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft in Berlin. Seit vielen Jahren engagiert sie sich in Frauenorganisationen wie dem Deutschen Frauenrat.

www.womanlobby.org

Brigitte Triems: Das kann ich natürlich nicht sagen. Aber wir haben von den 31 deutschen Parteien, die zur Europawahl antreten, die fünf großen auf ihre frauenpolitischen Akzente hin untersucht.

Mit welchem Ergebnis?

Bei der CDU spielt Gleichstellung nur im Zusammenhang mit der Wirtschaft eine Rolle, also dort, wo Frauen als Wirtschaftsfaktor gebraucht werden. Bei der FDP taucht das Wort Gleichstellung überhaupt nicht auf, obwohl die Partei eine Spitzenkandidatin hat. Am konkretesten sind die Programme von SPD, Grünen und Linkspartei.

Inwiefern?

Die enthalten alle Forderungen, denen wir voll zustimmen können. Die SPD fordert etwa eine europäische Charta der Frauenrechte. Das empfinden wir als einen guten Vorschlag. Die Grünen wollen eine EU-Sonderbeauftragte gegen Gewalt berufen und eine europäische schwarze Liste, die Diskriminierer benennt. Die Linke will Gleichstellung als Querschnittsaufgabe - und als einzige Partei das Recht auf Abtreibung und freie Empfängnisverhütung.

Welche Rolle spielen Frauenthemen generell in der EU?

Keine großen. Im EU-Fahrplan beispielsweise gibt es keine Ansätze für eine Quotierung. Und die Mutterschutzrichtlinie, mit der der Mutterschutz europaweit von 14 auf 18 Wochen verlängert werden soll, ist bis auf Weiteres auf Eis gelegt.

Hat die European Womens Lobby, die eine Nichtregierungsorganisation ist, nicht gut genug gearbeitet?

Doch. Aber es ist Wahlkampf und da werden alle Frauenthemen weggedrückt.

Was konnten Sie denn bislang erreichen?

Im ersten Entwurf vom Vertrag von Lissabon zum Beispiel stand nichts drin von Gleichstellung. Wir haben intensiv Lobbyarbeit betrieben, damit Gleichstellung zwischen Frauen und Männern als Ziel im Vertrag verankert wird, so wie es schließlich auch geschehen ist.

Und aktuell?

Wir haben eine Kampagne für die paritätische Besetzung der EU-Spitzenpositionen gestartet, die auch EU-Kommissar Manuel Barroso unterschrieben hat. Und wir unterstützen die Kampagne der EU-Kommission für gleichen Lohn von Frauen und Männern. Die Entgeltgleicheit steht zwar schon seit 1957 in den Römischen Verträgen, aber sie ist noch nicht umgesetzt worden.

Wie behandeln die europäischen Parteien Frauenrechte?

Um das beurteilen zu können, hat die European Womens Lobby ein Gender-Audit, also einen Test auf Geschlechtergerechtigkeit, erarbeitet. Das Ergebnis: Eine rote Ampel steht für große Lücken bei der Gleichstellung, eine grüne für die Beachtung von Frauenrechten. Überwiegend rote Ampeln hat die konservative Europäische Volkspartei, die ja die Mehrheit hat. Grüne Ampeln haben vor allem die Sozialdemokraten und die Grünen.

Europa ist nicht besonders frauenfreundlich?

Sagen wir mal so: Gleichstellung ist nicht das große Thema in der EU. Deshalb muss es ja auch Organisationen wie die EWL geben, damit sich Frauen stärker und ganz direkt in die Europa-Politik einbringen können.

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