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Frauenfussball in HamburgLorbeer am Ball

Hamburgs erste Meisterinnen kamen 1971 aus dem Arbeiterviertel Rothenburgsort. Fast zwei Jahrzehnte lang prägte der FTSV 1896 Lorbeer den Fußball in der Hansestadt.

Mit der taz Hamburg als Trikotsponsor: Lorbeers Frauen im Jahre 1990 in der Oberliga Nord. Bild: Sabine Windelen

HAMBURG taz | "Es war ein feuchtfröhliches Finale. Freudentränen mischten sich mit dem strömenden Regen, als Lorbeers Damen ihren 2:0 Endspielsieg der ersten Hamburger Damen-Fußballmeisterschaft über den FC Sperber feierten. Viele Damen des Meisters waren schon früher durch den Handball dem Leistungssport verbunden. Tore: 1:0 Gabriele Behr (45.), 2:0 Erika Herzog (50.), Zuschauer: 500."

Dieser Artikel des Hamburger Abendblatts vom 18. Juni 1971 ist zwar sehr kurz und ganz unten links auf der Seite versteckt, aber es fehlt nichts: Damen, erster Hamburger Meister, Leistungssport, hunderte Zuschauer. Die Presse wird nicht immer so sachlich mit den Fußballerinnen umgehen - ebenso die Zuschauer.

Tags zuvor hatten die Frauen des FTSV 1896 Lorbeer Rothenburgsorth auf dem roten Aschefeld Reinmüller-Platz den Titel geholt. Mit Roswita Syperreck im linken Mittelfeld. "Ich war mit 19 Jahren noch eine der jüngeren Spielerinnen", sagt Syperreck. "Einige waren schon über 30, als sie mit dem Fußball spielen anfingen."

Denn bis der Deutsche Fußballbund (DFB) im Oktober 1970 das Verbot aufhob, durften Frauen offiziell nicht Fußball spielen, Vereine durften keine Frauenabteilungen gründen und den Frauen keine Sportplätze zur Verfügung stellen. Syperreck, die die Anfänge des Frauenfußballs in Hamburg als Spielerin und Trainerin geprägt hat, kickte zwar schon immer heimlich mit ihren drei Brüdern, aber im Verein spielte sie Handball, bevor sie 1970 zu den Lorbeer-Fußballerinnen wechselte.

In Hamburg setzten sich die ersten Frauen aber bereits zwei Jahre zuvor über das Fußballverbot hinweg, als am 1. Januar 1968 auf die Initiative einer Wilhelmsburger Altherrenauswahl zwei kostümierte Frauenmannschaften vor 500 Zuschauern für einen guten Zweck gegeneinander antraten - "Eintracht Kopftuch" gegen "United Strumpfhose". Schnell hatten Handballerinnen anderer Wilhelmsburger Vereine Mannschaften wie den "FC Schürze" oder "Borussia Bluse" ins Leben gerufen und aus dem einmaligen Gag wurde 1970 die "1. inoffizelle Hamburger Frauenmeisterschaft", die zwölf Mannschaften untereinander ausspielten. Mehr als 1.500 zahlende Zuschauer waren dabei.

Im Jahr darauf war das Verbot gefallen und Lorbeer nach der ersten vom Hamburger Fußball-Verband organisierten Saison Hamburger Meister. Weitere drei Meistertitel folgen 1982, 1984 und 1986. Sie werden 15 Mal Hamburger Pokalsieger und holen mit Syperreck als Trainerin zweimal den Meistertitel in der damaligen Zweiten Liga, der Oberliga Nord.

Angefangen hatte alles 1970 mit einem Freundschaftsspiel auf einem Stadtteilfest in Rothenburgsort. Die Lorbeer-Handballerinnen kickten 60 Minuten gegen die Handballerinnen vom TSV Veddel - vor 750 zahlenden Zuschauern gewann Lorbeer 3:0. Daraus sei die Idee entstanden, eine Frauenfußballmannschaft auf die Beine zu stellen. "Wäre Fußball nicht vorher verboten gewesen, wären wir bestimmt noch erfolgreicher gewesen", sagt Syperreck. "Wer erst mit 20 oder 30 Jahren zum Fußball kommt, der wird natürlich nicht mehr so gut wie die Mädchen, die heute mit 5 anfangen."

Die Entscheidung für den Fußball und gegen den Handball war für Syperreck und ihre Mitspielerinnen damals kein politisches Statement, sie wollten einfach nur Fußball spielen - auch wenn die taz 1988 in einem Porträt über sie hinter einem lila Button mit weißer Taube, der auf ihrem Auto klebte, gleich eine feministische Grundhaltung vermutete. "Aus heutiger Sicht muss ich aber schon sagen, dass Frauenfußball zur Emanzipation beigetragen hat", sagt sie. "Und dass jetzt fast auf den Tag genau 40 Jahre nach unserer ersten Meisterschaft die Frauen-WM stattfindet, ist ganz wunderbar."

Syperreck übernahm Lorbeer in der Saison 1986/87 als Trainerin. Erst war sie eine Notlösung, weil sich kein geeigneter männlicher Kandidat finden ließ. Aber dann blieb sie bis 1991 Trainerin, auch wenn sie nie einen Trainerschein machte. "Klar mussten wir uns anhören, dass Frauen nicht auf den Fußballplatz gehören", erinnert sich Syperreck. "Aber im Fußball ist es wie im echten Leben: Der Erfolg bringt die Akzeptanz." Und Lorbeer war bis Anfang der 90er Jahre erfolgreich. Aus wirtschaftlichen Gründen musste der kleine Verein 1990 darauf verzichten, in der neuen Bundesliga zu spielen. 1994 zogen sie sich freiwillig in die Verbandsliga zurück und 2005 ging es runter in die Bezirksliga. Heute gibt es bei Lorbeer keine Fußballerinnen mehr.

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