Frauenfußball bei den Olympischen Spielen: Abseits des Sündenpfuhls
Wieder einmal sind die US-Fußballerinnen die großen Favoritinnen auf die Goldmedaille. Das Team ist gut drauf – ihr Sport steckt derweil in einer Krise.
BERLIN taz | Das olympische Feuer wird noch nicht brennen im Olympiastadion. Aber das Olympiastadion ist eh weit weg, mehr als 650 Kilometer. Nicht in London, sondern in Glasgow im Hampden Park, dort, wo sonst die schottische Nationalmannschaft spielt, beginnt für die US-amerikanischen Fußballerinnen am Mittwochnachmittag das Abenteuer Olympia. Und es beginnt mit einem Knaller: Gleich im ersten Gruppenspiel kommt es zu einer Wiederauflage des WM-Halbfinals aus dem vergangenen Jahr. Die Goldfavoritinnen treffen auf Frankreich (17 Uhr, ab 18 Uhr in der ARD).
Denn es ist wie immer vor jedem großen Turnier, sei es eine WM oder seien es Olympische Spiele: Am höchsten werden die US-Girls gehandelt. Das ist auch in London so, obwohl Frankreich mit einem Team antritt, das nahezu identisch ist mit Olympique Lyon, dem Champions-League-Sieger.
Aber die Tradition spricht trotzdem für die USA. Der letzte WM-Titel stammt zwar aus dem Jahr 1999, aber unter den fünf Ringen lief es rund: Sowohl 2004 in Athen als auch 2008 in Peking gab es Gold. Und auch das Team, das in London antritt, scheint gerüstet. In der Vorbereitung gab es meist überzeugende Siege, sogar der amtierende Weltmeister Japan wurde bei einem Turnier in Schweden mit 4:1 abgefertigt.
Das olympische Frauenfußballturnier wird in drei Vorrundengruppen mit vier Teams gespielt. Das Viertelfinale erreichen alle Gruppenersten und -zweiten sowie die beiden besten Gruppendritten. Deutschland hat die Qualifikation bei der WM 2011 verfehlt.
Gruppe E: Großbritannien, Neuseeland, Kamerun, Brasilien
Gruppe F: Japan, Kanada, Schweden, Südafrika
Gruppe G: USA, Frankreich, Kolumbien, Nordkorea
Die singende Trainerin
So gut ist die Stimmung im US-Team, dass Nationaltrainerin Pia Sundhage – wie schon bei der WM in Deutschland – nach einem Testspielsieg gegen China die Pressekonferenz mit einem Liedchen auflockerte. Diesmal sang die schwedische Fußballlehrerin „You Are My Sunshine“.
Die gute Laune kann allerdings nicht verdecken, dass der Fußballsport wieder einmal in einer Krise steckt, und das in einem Land, in dem so viele Frauen kicken wie nirgendwo sonst. Ende Januar, nur wenige Stunden nachdem die US-Frauen sich für London qualifiziert hatten, wurde bekannt, dass die kommende Profi-Saison nicht stattfinden würde.
Mittlerweile ist auch dieser vorerst letzte Versuch, eine Frauenfußball-Profiliga in den USA zu etablieren, endgültig gescheitert: Am 18. Mai verkündete die Liga ihre eigene Auflösung. Die Gründe waren neben einem Rechtsstreit mit einem Teambesitzer wieder einmal mangelnde ökonomische Perspektiven.
Dabei gaben sich vor allem die Nationalspielerinnen große Mühe, Schlagzeilen zu produzieren, auch wenn die wohl nicht immer allzu werbewirksam waren. Zuerst spielte Stürmerin Abby Wambach eine seltsame Rolle im Niedergang der Liga, als sie unverbrüchlich zum Besitzer ihres Teams stand, der seine Spielerinnen erpresst und die Liga verklagt hatte.
Dann gelangte Megan Rapinoe in die Boulevardblätter. „Um das ein für alle Mal klarzustellen: Ich bin lesbisch“, erzählte sie dem Schwulen-Magazin Out. Die Mittelfeldspielerin, die bei der letztjährigen WM meist nur eingewechselt wurde, sich aber nun ihren Stammplatz erkämpft hat, lebt seit drei Jahren in einer Beziehung mit der australischen Nationalkickerin Sarah Walsh.
Hope Solo unter Dopingverdacht
Schließlich wurde Torhüterin Hope Solo von der US-Anti-Doping-Agentur (Usada) öffentlich verwarnt. In ihrem Urin war die verbotene Substanz Canrenon gefunden worden, aber Solo konnte der Usada glaubhaft versichern, dass sie das Diuretikum unwissentlich nach einer Verschreibung ihres Arztes eingenommen habe. Davon sprach aber schon niemand mehr, als Solo verriet, wie es in Peking im olympischen Dorf zugegangen sei: „Auf dem Rasen, zwischen den Häusern, überall lagen Leute und hatten Sex.“
Angesichts solcher Geständnisse ist Pia Sundhage wahrscheinlich ganz froh, die Mission Gold in Glasgow, weit weg vom olympischen Dorf, beginnen zu dürfen. Noch wichtiger aber dürfte sein, dass sie erstmals seit langer Zeit auf eine völlig fitte Wambach zurückgreifen kann.
Die 32-Jährige war zuletzt von Achillessehnenproblemen geplagt worden. Die sollen nun aber weitestgehend behoben sein: „Ich fühle mich so stark, gesund und in Form wie lange nicht“, verkündete der Star des Teams bei einer Pressekonferenz vor wenigen Tagen. Zu diesem Anlass sang Sundhage zwar nicht, aber es klingt doch so, als seien die US-Girls wieder Favorit auf Gold.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn