Frauenbildungsstätte in Wriezen: "Sie wollen Abstand zum Alltag"
Die Frauenbildungsstätte Franzenhof feiert ihr 20-jähriges Bestehen. Die Wünsche der Frauen hätten sich verändert, sagt Gründungsmitglied Christiane Dietrich.
taz: Frau Dietrich, seit 20 Jahren besteht der Franzenhof nun als einzige Frauenbildungsstätte Ostdeutschlands. Was kann konkret gefeiert werden?
Christiane Dietrich: Wir haben die 20 Jahre gut gemeistert. Frauen suchen den Ort mit Begeisterung auf. Mittlerweile können wir ein vielfältiges Programm von 70 verschiedenen Seminaren anbieten, die etwa von 800 Frauen jährlich genutzt werden. Dieser Erfolg soll auch gewürdigt werden.
Mit welchem Ziel wurde der Hof 1992 eröffnet?
Der Hof ist aus der Idee der Frauenbewegung entstanden. Aus dem Wunsch, einen Ort zu schaffen, an dem Frauen ihre gesellschaftliche Situation und ihr eigenes Rollenverständnis reflektieren können.
Gelingt ihnen das?
In jedem Fall. Es wird auch von Besucherinnen immer wieder bestätigt, dass sie sehr viele neue Impulse bekommen haben und auch Kompetenzen erweitern konnten.
Vor 16 Jahren berichtete die taz in einer Reportage von Gewaltprävention und Gesundheitsvorsorge als wichtigste Themenschwerpunkte der Bildungsstätte. Hat sich daran in den Jahren etwas geändert?
Der erste Ansatz des Konzeptes war, den Schwerpunkt auf die Gewaltprävention zu legen, weil dieser Ort der Sicherheit und Ruhe eine gute Grundlage dafür ist, sich mit Gewaltverhältnissen auseinanderzusetzen und dabei Kraft zu schöpfen. Ein großer Schwerpunkt hat sich heute aber auch in dem Bereich der beruflichen Weiterbildung gebildet. Da haben wir uns dem gesellschaftlichen Wandel angepasst. Wir werden als Heimbildungsstätte anerkannt und in diesem Rahmen finanziert. Wir haben Angebote zur Ausbildung im Bereich der Mediation, in Englisch oder in gewaltfreier Kommunikation.
ist Gründungsmitglied der Bildungsstätte. Erst war sie Seminarleiterin, später Geschaftsführerin. Seit 2007 arbeitet sie in Teilzeit auf dem Franzenhof.
Das klingt sehr klassisch.
Die Seminarthemen sind bei uns aber teilweise auch recht unkonventionell: Das Programm umfasst auch Bogenschießen und Kräuterwochen. Wir wollen mit diesem breiten Spektrum viele Interessen bedienen. Bei allen Seminaren ist der Erholungseffekt aber letztlich Grundlage, dieses „Raus aus dem Alltag“, das heißt, dass Frauen nicht nur Bildungsfreistellungen von der Arbeit, sondern auch von Haus und Herd und Versorgung anderer Menschen haben.
Kann man Frauen angesichts der Debatte um das soziale Geschlecht überhaupt noch als Zielgruppe eingrenzen?
Das ist natürlich eine wesentliche Frage. Ich halte diese gesellschaftlichen Umstände aber gar nicht für die massive Grundlage, warum Frauen zu uns kommen. Bei uns gibt es vorwiegend keine politischen Debatten. Solange Frauen es genießen, in einem ruhigen, harmonischen Umfeld allein mit anderen Frauen Erfahrungen zu machen, Spaß zu haben, solange wird es den Franzenhof als Ort exklusiv für Frauen auch geben. Auch Frauen, die vorher Männer waren, fragten schon bei uns, ob sie zu Seminaren unseres Hofes kommen können. Es ist für uns schon eine Herausforderung, uns da zu positionieren. Wir wollen einfach, dass eine Frau bei uns völlig sorgen- und bedenkenfrei mit anderen Frauen und gleichzeitig für sich allein sein kann.
Hat sich mit dem Wandel der Rolle der Frau nicht auch die Rolle einer Frauenbildungsstätte geändert?
Es gibt eine Änderung der Ansprüche der Frauen, die zu uns kommen. Sie möchten sich gern beruflich weiterbilden und neue Kompetenzen haben. Das war zu Anfang nicht hauptsächlich der Wunsch. Nach wie vor wollen Frauen dies aber auch in einer Atmosphäre tun, die für sie schon an sich eine Unterstützung ist durch die Ruhe, durch den Abstand zum Alltag. Das ist gleich geblieben, sonst würde es uns ja auch nicht mehr geben.
Welche Zukunftspläne gibt es denn für den Franzenhof?
Unser Wunsch ist, unser vielfältiges Angebot noch weiter auszurichten. Immer wieder zu verändern, auf die Wünsche und das Zeitgeschehen angepasst. Wir sind eine der fünf großen Frauenbildungsstätten der Bundesrepublik Deutschland. Aber auch wir kämpfen natürlich ums Überleben, weil auch die Zuschüsse, die nicht nur wichtig, sondern notwendig sind, um die Seminarpreise irgendwie bezahlbar zu machen, immer mehr versiegen. Unseren Existenzkampf können wir allein durch den Zuspruch der Teilnehmerinnen gewinnen. Die Umstände sind aber schwierig geworden. Da die Gehälter insgesamt sinken und gerade auch Frauen von der Arbeitslosigkeit noch mehr betroffen sind, sind die Zuschüsse des Landes unbedingt nötig. Der Franzenhof hat nach 20 Jahren deutlich seine eigenen Traditionen und Werte entwickelt. Dass der Ort für alle Frauen offen bleibt, ist ein Wert, den wir nicht aufgeben wollen.
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