: Frauenbewegung auch mit Bauch
betr.: „Das große Muttern“ in der Frauentagstaz vom 8. 3. 06
Ihrer Frauentagstaz kann ich nicht mein ungeteiltes Lob geben. Meiner Meinung nach wäre sie die ideale Ausgabe für den Muttertag gewesen. Da wäre dann der von Heide Oestreich geschriebene Text mit einem geistigen Spagat eher als schlecht gemeinte Polemik statt als seriöser Hintergrundbericht durchgegangen. Denn obwohl das Spiel mit der Guillotine ganz amüsant ist, die Schlussfolgerungen, die die Autorin zieht, sind falsch. Niemals haben sich die Vertreterinnen der Frauenbewegung nur für Themen stark gemacht, die den Körper der Frau vom Kopf trennen.
Im Gegenteil: Die Kontrolle über den eigenen Körper wurde eingefordert. Wer für den § 218 auf die Straße ging, tat es nicht um der Karriere willen, sondern um die Selbstbestimmung über ihn zu erlangen. Sie vergessen zudem, dass die Frauenbewegung mit der Kitabewegung begann. Man wollte Kinder, man hatte sie, aber man wollte auch gleichberechtigt sein. Eine Forderung, die heute immer noch gilt. Lohn für Hausarbeit, Antigewaltarbeit, frauenbezogene Gesundheitspolitik, ökonomische Unabhängigkeit, Scheidungsrechte, Unterhaltsrechte – das sind alles keine Kopf-, sondern Körperthemen, die Feministinnen mühsam für uns alle eingefordert haben. Dafür sind viele Frauen auf die Straße gegangen. Die Frauenbewegung hat viele Facetten, sie hat Kopf und Bauch.
Mit Ihrem Text verkennen Sie dies. Sie picken sich einzelne Facetten raus, die Ihre Theorie unterstützen, und unterschlagen den Rest. Polemik eben. Dass aber ausgerechnet die taz dabei ignoriert, dass keine soziale Bewegung so viele gesellschaftliche Themen in ihrer auf Frauen bezogenen Schieflage enttabuisiert und an die Öffentlichkeit gebracht hat wie die Frauenbewegung, enttäuscht mich.
LUISE KUNZMANN, Berlin