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Frauenbefreiungskrieg

betr.: „Eine Befreiung“ (Schlagloch), taz vom 14. 11. 01

Viola Roggenkamps Ausführungen stimme ich häufig zu. Diesmal bin ich aber als Historikerin über einen Satz wegen mangelhafter Geschichtskenntnisse erschrocken: „Als die Amerikaner 1944 in Frankreich landeten [...] taten sie es nicht, um die Juden zu retten [...]. Sie taten es, um möglicherweise zusammen mit Deutschland gegen die UdSSR und gegen den Kommunismus weiter Krieg zu führen.“

Weiß Viola Roggenkamp wirklich nicht, dass die USA damals im Bündnis mit Stalin gegen Hitlerdeutschland waren, dass 1943 auf der Teheran-Konferenz mit Stalin die 2. Front in Frankreich vereinbart wurde, dass Anfang 1945 die Jalta-Konferenz stattfand, bei der die Interessensphären zwischen USA und UdSSR aufgeteilt wurden, Grenzziehungen, die selbst im späteren Kalten Krieg von den USA niemals in Frage gestellt wurden. Weder die russische Besatzungszone in Deutschland, die spätere DDR, noch die Ostblockstaaten wurden jemals von Seiten der USA angetastet. Es war vielleicht nicht das oberste Kriegsziel der Amerikaner, die Juden zu befreien, aber es war ihr (ebenfalls mit Stalin abgestimmtes) erklärtes Ziel die unconditional surrender, die bedingungslose Kapitulation der Deutschen, ein Ziel, das den Juden sicherlich indirekt half. [...] Es kann also gar keine Rede von einer möglichen Zusammenarbeit sein.

Was den gegenwärtigen Krieg betrifft, so kann man eigentlich nur die moralische Verwirrung vieler Deutscher beklagen. Die Taliban haben schrecklichen Terror gegen Frauen und Männer ausgeübt. Sie lösen sich nicht in Luft auf, und die Grünen, Alternativen und Künstler, die nach dem Ende des Krieges rufen, haben keinerlei Vorstellungen, wie sie dieses Regime anders als durch Krieg loswerden wollen. Ihre so genannte Humanität bedeutet lediglich die Fortdauer der Taliban-Herrschaft. Es mag nicht das vorrangige Ziel der Amerikaner sein, die Frauen zu befreien, aber dieser Krieg kann den Letzteren nur zu mehr Freiheit verhelfen. [...] ISABEL KOCSIS, Düsseldorf

Viola Roggenkamp „will alles“ wie sie in ihrem Schlagloch erklärt. Doch sie ist weder konsequent noch schöpft sie ihre Möglichkeiten aus, wenn sie nur die Befreiung der Frauen in Afghanistan zur Sprache bringt. Mein Vorschlag: Sie möge sich als Soldatin der Bundeswehr zur Verfügung stellen und sich freiwillig für einen Krieg gegen das ähnlich fundamentalistische Saudi-Arabien melden, um auch die dortigen Frauen zu befreien. Ein kleines Problem wäre allerdings die saudi-arabische Militärschutzmacht USA. Es müsste geklärt werden, wer dort die Bombenteppiche mit Splitterbomben wirft.

Auf alle Fälle wäre aber sichergestellt, dass auch weiterhin Weltinnenpolitik mit kriegerischen Mitteln betrieben wird.

ALEXANDRA HANSEN, Bremen

Auch in Deutschland waren viele ehemalig führende Nazis in wichtigen Positionen nach der Befreiung durch die Alliierten. Warum sollte man also gegen eine Beteiligung der gewalttätigen Mudschaheddin an einer Nach-Taliban-Regierung sein? Wenn Sie das nicht wissen, liebe Frau Roggenkamp! Aus den gleichen Gründen. Oder waren die acht grünen Dissidenten etwa der Meinung, Altnazis in Spitzenpositionen der frühen Bundesrepublik wären notwendig gewesen? [...] ROBERT WEISS, Berlin

Gut, dass hier endlich einmal der repressive Charakter des Taliban-Regimes nach innen thematisiert worden ist. Auch wenn ich meine Probleme mit dem Vorgehen der USA in Afghanistan habe, so erkenne ich an, dass es einen Verdienst darstellt, die Taliban zu beseitigen. Insofern sehe ich die gleiche Analogie wie die Autorin zu Deutschland im ZweitenWeltkrieg: Die Taliban sind nicht über ihre innere Repression gestolpert, sondern über ihren Terrorexport, ebenso wie Hitlerdeutschland, das dafür bekämpft wurde, dass es den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte und nicht dafür, dass es die Juden vernichtete. [...]

ROLAND REIMERS, Gießen

Hat Viola Roggenkamp denn bisher eine Demonstration vor irgendeiner Moschee (wieso Moschee?) organisiert, um zum Krieg gegen die Taliban aufzurufen? Hat sie sich je gründlich mit der Frage befasst, ob das Nazi-Regime wirklich nur durch Krieg von außen zu stürzen gewesen wäre? Außerdem: die Nazis hatten den Krieg angefangen, die USA hätten wohl kaum aus reiner Menschenliebe Nazi-Deutschland angegriffen, um uns zu befreien. [...]

INGER DETLEFSEN, Bremen

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