FrauenKultur&Wohnen wird doch gebaut: Ein queeres Haus in Lesbenhand
Nach langem Streit um ein Grundstück, gibt es nun gute Nachrichten: Auch für den lesbischen Verein RuT wurde eine Baumöglichkeit gefunden.
Sie waren am letzten Juliwochenende nicht zu übersehen: Beim Christopher Street Day gab es einen Block von lesbischen Frauen, die kleine selbst gebaute Protestschilder trugen und damit auf den Verein RuT und dessen seit Langem geplanten inklusiven Wohn- und Kulturzentrum für Lesben in Berlin aufmerksam machten. „Sicherer Lebensort!“ stand da geschrieben oder „Die Zukunft ist lesbisch“. Diese Botschaften dürften als Glückwunsch gemeint gewesen sein. Denn das Lesbenwohnprojekt und -Kulturzentrum namens „RuT-FrauenKultur&Wohnen“ wird realisiert werden – doch noch, muss man sagen. Denn genau das stand lange Zeit infrage. Aber der Reihe nach.
Für das Projekt hatte „Rad und Tat – die Offene Initiative Lesbischer Frauen e. V.“ – kurz: RuT – seit Jahren nicht nur die Werbetrommel gerührt, sondern auch viel Zeit und Geld investiert. RuT konnte bereits im November 2017 eine Ausschreibung um ein geeignetes Grundstück im sogenannten Konzeptverfahren gewinnen. Es handelte sich um ein kleines Teilstück der vor allem mit Wohnungs- und Bürobauten ausgeplanten „Schöneberger Linse“ am Südkreuz. Doch die Freude darüber währte nicht lang, im Herbst letzten Jahres kam die jähe Wende.
Gegen die Entscheidung, das Baugrundstück dem Verein RuT zuzusprechen, hatte die Schwulenberatung Berlin, die sich ebenfalls beworben hatte, Widerspruch eingelegt und Verfahrensfehler bei der Vergabe geltend gemacht. Diese führten am Ende zu einer zweiten und teuren Bewerbungsrunde der drei letzten Bewerber. RuT ging dabei am Ende leer aus, diesmal wurde zugunsten der Schwulenberatung entschieden.
„Die Schwulenberatung hat die Bewertungskriterien als intransparent kritisiert und dies vor der Vergabekammer gerügt“, erklärte Johanna Steinke von der Abteilung Kommunikation und Marketing der BIM das Vorgehen damals der taz. „Daraufhin wurden die Kriterien noch transparenter gemacht und alle Bewerber hatten die Gelegenheit, ihre Konzepte nachzubessern. Die Zusammensetzung der Fachjury war identisch. Dort saßen Vertreter der Senatsverwaltungen und des Bezirks zusammen. Die Schwulenberatung hat in der zweiten Runde durch das bessere architektonische Konzept überzeugt.“
Streit in der queeren Szene
Die Schwulenberatung wird damit auf der Schöneberger Linse ihren dritten „Lebensort Vielfalt“ errichten. Im bereits eröffneten „Lebensort Vielfalt“ am Ostkreuz zum Beispiel gibt es vier Wohngemeinschaften für schwule, trans* oder inter* Menschen mit und ohne Fluchterfahrung sowie ein kleines Café. Das neue Projekt auf der Schöneberger Linse soll aus einem „Gebäudekomplex mit 69 Wohneinheiten, davon 22 als Sozialwohnungen, einer Kita, Beratungs- und Betreuungsangebote für Lesben, Schwule, trans- und intersexuelle Menschen und vielfältigen kiezbezogenen Angeboten“ bestehen, wie es in einer Pressemitteilung der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) heißt.
Ein herber Schlag für RuT. Der Verein kämpft seit einem Jahrzehnt für das Projekt „RuT-FrauenKultur&Wohnen“: Dahinter verbergen sich – eigentlich – „80 günstige Wohnungen, barrierefrei und mit Balkon, dazu Pflegestation, Kiez-Café, Pflege-WGs“, erläuterte RuT-Geschäftsführerin Jutta Brambach der taz. „Ein solcher Ort gelebter Selbsterhebung, lesbischer Biografien und queerer Stadtgeschichte wäre der erste seiner Art in Europa.“
Die für Außenstehende völlig widersprüchlich erscheinende Revision der Entscheidung wurde von vielen Seiten kritisiert und kommentiert, es gab Proteste und Aktionen, eine Onlinepetition für die Realisierung des Projekts. In den sozialen Netzwerken wurde und wird immer noch teils heftig diskutiert. Der „Streit in der queeren Szene“ machte die Runde. Der betroffene Verein RuT hatte das Ganze per Pressemitteilung treffend einmal so formuliert: „Ein Schlag ins Gesicht der Community“.
Doch Jutta Brambach und ihre MitstreiterInnen gaben sich nach der für sie enttäuschenden Entscheidung kämpferisch: „Wir lassen uns nicht an den Stadtrand abschieben, wir wollen ein Grundstück mitten in der Stadt.“ Der Verein wolle „natürlich weitermachen und daran arbeiten, das Projekt zu realisieren“. Das sei man den Frauen, die auf einen Platz in diesem einzigartigen Wohnprojekt warteten, schuldig.
Und nun eine Filetstück
Und all die Proteste haben etwas bewirkt. Der Verein bekam das Angebot, zusammen mit der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) einen siebenstöckigen Neubau auf einem Grundstück an der Berolinastraße zu errichten. Sozusagen ein Filetstück, liegt es doch in der Nähe von Kino International und Rathaus Mitte. „Das Grundstück gehört der WBM“, erklärt Jutta Brambach am Telefon, „wir kriegen also kein eigenes, auch wenn es das war, was wir immer wollten.“ Die Wohnungsbaugesellschaft habe vom Senat aber die Auflage, nach den Wünschen von RuT zu bauen. Die Verhandlungen darüber begannen schon im vergangenen Jahr.
Muss RuT nun Abstriche am Projekt machen? „Im Großen und Ganzen können wir alles, was wir vorhatten, umsetzen, wenn auch in etwas kleinerem Maßstab“, sagt Brambach. Gerade wären die Architekten bei der Arbeit. „Wir bekommen das vorgelegt und, soweit es geht, wird auf unsere Wünsche eingegangen.“ RuT bekommt einen Generalmietvertrag, der 30 Jahre läuft.
Es gab jedoch noch ein weiteres Problem zu lösen: Für das lesbische Wohnprojekt hatte die Lotto-Stiftung Mittel in Höhe von 5,5, Millionen Euro zugesagt – davon 1,5 Millionen das Darlehen –, aber die waren an das Baugrundstück Schöneberger Linse gebunden. Doch seit Mitte Juli ist amtlich, dass RuT auch diesen Stolperstein aus dem Weg räumen konnte. Ein kleiner Haken: Die Gelder dürfen nur in den Bau fließen. Und RuT muss als Bauherrin auftreten. Dafür wurde bereits die „RuT – Rad und Tat Berlin gGmbH“ gegründet.
Das wirft eine weitere Schwierigkeit auf: Der Verein benötige zusätzliches Personal für Aufgaben, die sich aus der Bauherrin-Tätigkeit ergeben – etwa Projektsteuerung. Das Geld dafür sei nicht in den Lotto-Mitteln enthalten ist, sagt Jutta Brambach. Der Verein setzt deshalb auf den Senat und Spenden und auch weitere Stiftungen.
Große Freude – und ein Wermutstropfen
Die Zeit drängt. Baubeginn soll Ende 2020 sein, Fertigstellung im Jahr 2022. „Wir sind total happy und freuen uns sehr darauf, das Projekt zu realisieren“, sagt Brambach. „Das wird zusammen mit Wohnungen für Lesben, einer Pflegeeinrichtung, dem Verein und einem Kiezcafé ein tolles queeres Haus in Lesbenhand.“
Große Teile der Community haben Anteil an diesem guten Ende der Geschichte. Sie haben dem lesbischen Verein den Rücken gestärkt – „das hat uns Mut gemacht weiterzumachen“, resümiert Jutta Brambach.
Und doch bleibt ein Wermutstropfen: „Dass uns das zuerst zugesprochene Baugrundstück wieder entzogen wurde, hinterlässt ein Gefühl der Diskriminierung, der strukturellen Benachteiligung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!