Frauen in Afghanistan: Religionsrat greift Frauenrechte an
Der Ulema-Rat will Frauen verbieten, ohne Begleitung männlicher Verwandter Bus zu fahren. Auch sollen sie nicht mehr mit Männern in einem Büro arbeiten.
KABUL dpa/taz | Der mächtige Religionsrat in Afghanistan will die in der Verfassung verbrieften Frauenrechte einschränken: Der Ulema-Rat habe der Regierung vorgeschlagen, Frauen zu untersagen, ohne enge männliche Verwandte öffentliche Transportmittel zu nutzen, sagte Ratsmitglied Maulawi Chalikdad am Montag der Nachrichtenagentur dpa in Kabul.
Frauen sollten auch nicht mehr in Büros mit Männern zusammenarbeiten dürfen, die nicht der unmittelbaren Familie angehörten. Die Vorschläge habe der Rat am letzten Freitag der Regierung von Präsident Hamid Karsai unterbreitet.
Die angestrebten Verbote wecken Erinnerungen an das Ende 2001 gestürzte Taliban-Regime. Das untersagte Frauen, ohne männliche Verwandte das Haus zu verlassen. Chalikdad sagte am Montag: „Wir sollten akzeptieren, dass dies eine islamische Gesellschaft ist, die sich von einer nichtislamischen Gesellschaft unterscheidet.“ Was der Koran verbiete, könne nicht erlaubt sein. „Wir wollen ein Leben in Einklang mit dem Islam für uns und für unsere Frauen und Schwestern. Sie sind auch Muslime.“
Religiöse Kräfte versuchen seit Längerem, die Frauenrechte wieder zurückzudrehen. Im Januar hatte das Informationsministerium in Kabul alle TV-Sender dazu aufgefordert, ihre Moderatorinnen dazu anzuhalten, Kopftücher zu tragen.
Artikel 22 der Verfassung lautet: „Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten.“ In Artikel 3 heißt es allerdings: „In Afghanistan darf kein Gesetz dem Glauben und den Bestimmungen der heiligen Religion des Islam widersprechen.“ Diese widersprüchlichen Artikel sind Ergebnis eines unentschiedenen Konflikts bei der Formulierung der Verfassung 2003, als liberale Afghanen und Fundamentalisten jeweils ihre Vorstellungen parallel verankern konnten. HAN
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