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Archiv-Artikel

Frau Raffzahn hat jetzt plötzlich ein Attest

Ex-Staatssekretärin Hürland-Büning (CDU) setzt auf Verhandlungsunfähigkeit – Amtsarzt prüft Gesundheitszustand

DÜSSELDORF taz ■ Der Prozess gegen die Ex-Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Agnes Hürland-Büning (CDU), steht auf der Kippe. Der Amtsarzt hat nun das letzte Wort, ob das Strafverfahren wegen Betruges, Steuerdelikten und uneidlicher Falschaussage überhaupt eröffnet werden kann. Hürland-Bünings Verteidiger haben der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Düsseldorf Atteste vorgelegt, nach denen die 78-jährige absolut verhandlungsunfähig sein soll. Vom Amtsarzt hängt nun ab, ob der Strafprozess um ein Thyssen-Millionengeschäft platzt oder nicht.

Außer der geschäftstüchtigen CDU-Politikerin ist in Düsseldorf auch der Lobbyist Dieter Holzer angeklagt. Er soll in der Affäre um die Privatisierung der Leuna-Raffinerien eine Schlüsselrolle spielen und sorgte im Zusammenhang mit der Verhaftung des ehemaligen CSU-Rüstungsstaatssekretärs Ludwig-Holger Pfahls für Schlagzeilen, denn Holzer soll möglicherweise zu den Fluchthelfern Pfahls gehört haben. Ob Dieter Holzer sich dem Verfahren in Düsseldorf stellen wird, ist nicht zuletzt vor diesem Hintergrund offen. In Deutschland besteht nur Kontakt zu Holzers Anwalt, der Lobbyist hat seinen Wohnsitz in Beirut.

Gegenstand der bereits im Dezember 2003 erhobenen Anklage der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ist ein Schein-Beratervertrag mit einem Ex-Unternehmen des Thyssen-Konzerns aus dem Jahr 1995. Die Firma Europarc Thyssen Dreilinden soll bei einem Grundstücksgeschäft in Berlin an die Hürland-Büning ein angebliches Erfolgshonorar von knapp drei Millionen Euro gezahlt haben. Für die Staatsanwaltschaft war diese Zahlung keineswegs nicht gerechtfertigt – der Beratervertrag beruhe auf falschen Angaben von Agnes Hürland-Büning und dem Ex-Thyssenmanager Herbert Gatzen. Das Millionen-Honorar soll dann aufgeteilt worden sein und zur Täuschung wurde wohl ein Konto der Holzer-Firma Delta International in Liechtenstein genutzt. Holzer soll für seine Dienste 250.000 Euro kassiert haben. Die Firma Delta International steht ohnehin im Verdacht, Schaltzentrale für kriminell erworbene Gelder gewesen zu sein.

Der Thyssen-Grundstücksdeal und der Geldtransfer interessierte auch den CDU-Parteispendenausschuss im Jahr 2000. Weil Hürland-Büning, die Vertraute von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl falsche Behauptungen aufgestellt habe, wertet die Staatsanwaltschaft dies als uneidliche Falschaussage. KLAUS BRANDT