Französische Blogger über Libyen: Frankreichs Sieg über „Kadhafi“
Freude bei den Befürwortern des Einsatzes in Libyen, Erleichterung bei allen. Französische Journalisten und Blogger diskutieren über EU, Öl und Intellektuelle.
„Der Krieg in Libyen hat Frankreich letztlich 200 Millionen Euro gekostet“, hat Jean-Dominique Merchet ausgerechnet. „Das ist nicht viel Geld für einen Sieg“, meint er in seinem Blog „Secret défense“. Der französische Militärspezialist freut sich offen über den Einzug der Rebellen in Tripolis. Es sei nicht nur ein Sieg für sie, sondern auch für Frankreich, dessen militärische Beteiligung ausschlaggebend gewesen sei.
„Die politisch-militärische Strategie war erfolgreich, auch wenn das Ganze länger gedauert hat, als es anfangs geplant war.“ Wie viele in Frankreich erinnert sich Merchet an die Einschätzung des Außenministers Alain Juppé, der Einsatz werde „einige Wochen“ dauern. Seit dem Beginn der französischen Luftschläge sind nun fünf Monate vergangen. Am Anfang hatte die Regierung die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, schnell wurden jedoch mehr und mehr verzweifelte Stimmen laut: Es sei eine teure Einmischung, die zudem moralisch nicht vertretbar sei.
Auch wenn die Krise noch nicht zu Ende sei, könne man sich freuen, schreibt Merchet. Es sei schließlich richtig gewesen, die Rebellen zu unterstützen. Eine Niederlage der Rebellen hätte tiefgreifende Konsequenzen zur Folge gehabt - für Libyen, für Frankreich und für die Europäische Union: „Ein Scheitern der westlichen Koalition hätte das Ende der militärischen Macht Europas eingeläutet.“
Erleichterung
Der bürgerlich-konservative Redakteur Pierre Rousselin teilt Merchets Erleichterung. Für ihn sind die jüngsten Ereignisse in Libyen die Chance für einen Wandel der internationalen Stellung der EU. In seinem Blog „géopolitique“ schrieb er am Montag: „Was in Tripolis zurzeit passiert, ist wesentlich für Europa. Der Untergang des Tyrannen kann unsere Beziehung zur arabischen Welt neu definieren“. Darum sei es wichtig, dass sich die westlichen Mächte noch nicht zurückzögen. Das Land brauche humanitäre und finanzielle Hilfe, sodass es weder in einen Bürgerkrieg noch unter islamistische Herrschaft gerate.
Die Nachricht von der Eroberung Tripolis‘ löste weitere Fragen über die Rolle der Europäischen Union aus. In einem Beitrag auf der Webseite von Le Monde befasste sich der Geopolitik-Forscher Bastien Nivet am Montag mit dem Begriff der „Ashtonisation“ (Ashtonisierung).
Die Ashtonisierung sei die heutige Krankheit der EU im Bereich der Außenpolitik: Es gebe keine schnellen vorausschauenden Entscheidungen und so gut wie keinen Zusammenhalt der Mitgliedsstaaten. Außerdem bestehe kein Anspruch auf größeren Einfluss in der internationalen Politik. Wer den Begriff verwende, bedauere, dass die EU nicht mehr Führungsqualitäten entwickelt. Denn Nicolas Sarkozy und David Cameron hätten den Einsatz in Libyen geführt, nicht Catherine Ashton, die Vertreterin der EU für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.
Sarkozys Krieg
Manche französischen Kommentatoren weisen darauf hin, dass der französische Staatspräsident den Konflikt zu seinem persönlichen Kampf gemacht habe. Einige von ihnen sehen das Handeln Sarkozys der letzten Jahre ironisch. „Nicolas Sarkozy hat sich sehr bemüht, damit der libysche Diktator abdankt, mit dem er einige Monate zuvor noch eng befreundet war“, kommentierte zum Beispiel Juan Sarkofrance in seinem regierungskritischen Blog.
Mit Hilfe Frankreichs wurde Libyen im Mai 2010 ein Mitglied des UNO-Menschenrechterats. Sarkozy musste andererseits „etwas unternehmen, damit sein katastrophales diplomatisches Verhalten während der tunesischen und ägyptischen Revolutionen in Vergessenheit gerät“.
Auch der Blog cpolitic.com, bekannt für seine satirische politische Berichterstattung, beschäftigt sich mit dem „Sieg Sarkozys“ - mit einer verfälschten Titelseite der regierungsnahen Tageszeitung Figaro. Sie zeigt eine Fotoaufnahme des angeblichen Rebellenchefs, mit Kalaschnikow und Victory-Zeichen. Sein Gesicht ist das des französischen Staatsoberhaupts.
In seinem Video-Leitartikel vom Montag betont der Chefredakteur der Zeitschrift L‘Express, Christophe Barbier, dass der Fortschritt der Rebellen mit dem Triumph einer weiteren Persönlichkeit einhergehe: Bernard-Henri Lévy.
Der französische Intellektuelle hat den Präsidenten dazu gebracht, als erste Nation den oppositionellen Nationalrat als alleinigen Ansprechpartner in Libyen anzuerkennen. Seine privaten Diskussionen mit Sarkozy haben Außenminister Juppé in eine unangenehme Position gebracht. Er war nicht eingeweiht in die Entscheidung, die Rebellen zu unterstützen. Erst vor den Kameras erfuhr er davon.
Barbier sieht im Sieg in Tripolis ein Beweis, dass Bernard-Henri Lévy Recht habe. So könnten sich die französischen Intellektuellen bestätigt sehen, eine wichtige Rolle in der Politik zu spielen. Seine Meinung scheinen die meisten französischen Medien zu teilen, denn Bernard-Henri Lévys Freude am Montag war auf allen TV- und Radiosendern zu sehen und zu hören.
Keine Tabu um Öl
In seinem häufig gesehenen Video setzt sich Barbier mit einem weiteren Thema auseinander, das seit Monaten in der öffentlichen Diskussion nicht häufig genannt wird: das Erdöl. Libyen besitzt die größten Ölreserven in Afrika. Manche haben die westliche Intervention als einen Versuch betrachtet, sich in unruhigen Zeiten den Zugang zu libyschen Ressourcen zu sichern.
„Libyen muss uns vergüten. Es hat Öl. Es muss eine neue Partnerschaft zwischen uns geben“: Für Barbier sollten Öllieferungen die Gegenleistung dafür sein, dass Frankreich in Libyen bleibt, um dem Land zu helfen demokratische Strukturen aufzubauen.
Juan Sarkofrance glaubt nicht, dass die teure Energieform der Grund des Einsatzes war. Erstens, weil die Handelsbeziehungen zwischen Frankreich und Libyen auch vorher exzellent waren. Ginge es um das Öl, seien zweitens die „Vereinigten Staaten immer die ersten im Kampf.“ Ein gutes Beispiel dafür sei der Irak. Diesmal seien die Amerikaner aber voller Vorbehalte gewesen. Ergo: Öl sei nicht der Grund des Krieges
Während viele über das Motiv des Krieges und die Zukunft Libyens spekulieren, stellt sich die Plattform Le Post eine ganz andere Frage. Das Newsportal bietet eine Bilderstrecke der elegantesten und buntesten Outfits des Diktators an. Überschrift: „Stylischer oder peinlicher Abschied? In welchem Hemd wird Dresscode-König Gaddafi seine Herrschaft beenden?“
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