Frankreich will Tempolimit auch in Deutschland durchsetzen: Fahren, fahren, fahren . . .
Ach, wie sind sie gemein, die Franzosen! Wenn sie im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, dann wollen sie ein Tempolimit einführen, europaweit. Prompt heult die deutsche Autolobby auf. Wahrscheinlich glüht schon der Telefondraht ins Kanzleramt. Doch Schröder kann versprechen, was er will: Wenn die anderen EU-Staaten sich einig sind, brauchen sie keine deutsche Zustimmung mehr, um das letzte Rennfahrerparadies zu schließen.
Dann helfen nur noch Argumente. Doch da steht Deutschland nicht so prächtig da. Frankreich will das Tempolimit, um gegen den Treibhauseffekt vorzubeugen. Denn erstens erzeugen langsamer fahrende Autos weniger Abgase. Und zweitens würden die langsamer fahrenden Autos noch weniger klimaschädlichen Mief ausblasen, wenn sie für solche langsameren Geschwindigkeiten auch konstruiert wären. Doch das ist nicht der Fall, weil Autos für den internationalen Markt gebaut werden, also auch für Deutschland, wo unlimitiert gefahren werden darf.
Dagegen kann Deutschland freilich schlecht argumentieren, denn zu den Erkenntnissen der Franzosen kommt auch das Umweltbundesamt. In einer Studie vom vergangenen Sommer hatte es ermittelt, dass bei Tempo 120 der Kohlendioxidausstoß auf Autobahnen um 9 Prozent sinkt und bei Tempo 100 sogar um 19 Prozent. Zweitens hat Deutschland bislang nicht genug getan, um sein selbst gesetztes Klimaschutzziel zu erreichen. Könnte Deutschland nachweisen, auch ohne Tempolimit den Ausstoß zu drücken, könnte es auch für den Luxus des schnellen Fahrens argumentieren.
Freilich gibt es noch andere Gründe für ein Tempolimit. Erstens ein zivilisatorischer: Wenn langsamer gefahren würde, verringerten sich die hohen Tempounterschiede auf der Autobahn, die viele tödliche Unfälle verursachen. Ein Tempolimit rettet also Menschenleben.
Ein weiteres Argument dürfte bei der französischen Regierung im Hinterkopf spuken: Das Rasen auf unseren Autobahnen ist ein Verkaufsargument für deutsche Autos. Wer hat nicht schon die T-Shirts gesehen, die manch Deutschland-Tourist stolz mit nach Hause schleppt: „I survived German Autobahn“. Insofern würde ein europaweites Tempolimit eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der französischen Autoindustrie beenden. Ein EU-Tempolimit schafft also französische Arbeitsplätze. Wenn das kein Grund ist, den Nachbarn zu ärgern.
Matthias Urbach
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