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Frankreich greift im Süden Zaires ein

■ Truppen landen im aufständischen Kolwezi/ Hilfsorganisation spricht von über 100 Toten in Kinshasa/ Immer mehr Ausländer evakuiert/ Informationsminister der zairischen Regierung verkündet „Notplan“ zur Versorgung der Bevölkerung

Brüssel/Paris/Kinshasa (afp/dpa) — Französische Truppen sind in der Nacht zum Donnerstag in der südzairischen Stadt Kolwezi gelandet, die seit einigen Tagen von rebellierenden Militäreinheiten kontrolliert wurde. Genaue Informationen über die Lage in der Stadt und der gesamten Provinz Shaba gibt es nach wie vor nicht. Weitere Truppen aus Frankreich und Belgien sind dorthin unterwegs. Es befinden sich nun mehr französische Truppen in Zaire als während der letzten Intervention von 1978, die einen separatistischen Aufstand in Kolwezi beendete.

Während sich die Situation in der französisch besetzten Hauptstadt Kinshasa weitgehend beruhigt hat, wird immer deutlicher, daß es bei den Kämpfen zwischen aufständischen und regimetreuen Militärs und der Niederschlagung der Hungerrevolte zu weitaus mehr Toten gekommen ist als bisher angegeben. Die Hilfsorganisation „Medecins Sans Frontieres“ berichtete in Brüssel, mindestens 100 Menschen seien in Kinshasa ums Leben gekommen und über 1.500 verletzt. Allein in zwei Krankenhäusern, Kintambo und Ngawiema, seien 45 Tote gezählt worden. Das größte Krankenhaus der Hauptstadt, Mama Yemo, konnten die MSF-Teams noch nicht besuchen. Die Organisation warnte vor Versorgungslücken bei medizinischem Material.

Unterdessen verlassen immer mehr Ausländer das Land, zumeist über den Zaire-Fluß zur kongolesischen Hauptstadt Brazzaville. Am Donnerstag morgen traf eine erste Sondermaschine mit Evakuierten in Paris ein. Übereinstimmend berichteten sie, daß in Kinshasa das totale Chaos herrsche. Alle Geschäfte und Privathäuser seien leergeräumt worden. „Alles wird gestohlen oder zerstört. Diese Horden klauen alles, sogar die Glühbirnen in den Toiletten. Was sie nicht mitnehmen können, schlagen sie kaputt“, erzählte eine Frau, deren Ehemann noch in der portugiesischen Botschaft auf Ausreise wartet. „Außer der Kleidung, die ich am Leib trage, habe ich nichts retten können“, sagte eine andere. Ausreisende Afrikaner in Brazzaville erzählten außerdem, auch die regimetreue Präsidialgarde habe sich an den Ausschreitungen beteiligt, wohl auf höheren Befehl.

Offizielle Reaktionen des zairischen Staates sind noch immer äußerst rar. Nach Präsident Mobutus Auftritt in der Nacht zum Mittwoch trat in der Nacht zum Donnerstag Informationsminister Banza Mukalay vor die Fernsehkameras. Das Kabinett habe getagt, erklärte er, und einen Notplan zur Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern ausgearbeitet. Er warnte, eine Fortsetzung der Unruhen würde zu einer Wirtschaftskatastrophe führen, „gefolgt von Arbeitslosigkeit und Hungersnot“.

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