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Frankfurter Rot-Grün härter als Stahlbeton

■ Koalitionsstreit um Hochhäuser, Multikulturelles bisher nur Programm / Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Die Basis der Frankfurter Grünen fühlte sich am Dienstag abend über den Löffel balbiert - von ihrer Fraktion und den eigenen Dezernenten Tom Koenigs (Umwelt) und Daniel Cohn -Bendit (Multikulturelles). Die hatten nämlich mit SPD -Oberbürgermeister Volker Hauff einen faulen Kompromiß zu drei umstrittenen Bürohochhäusern ausgehandelt. Dennoch gab es auf der Mitgliederversammlung der Grünen eine knappe Mehrheit dafür. Sonst wäre die Koalition nach nur drei Monaten schon wieder zu Ende gewesen. Nun kann Cohn-Bendit hoffen, daß seine Arbeit für die „Gestaltung der multikulturellen Stadtgesellschaft“ endlich in Gang kommt. (Siehe auch Kommentar auf Seite 8.)

Der Preis, den die Grünen für den Koalitionsfrieden gezahlt haben, ist hoch: Die Deutsche Genossenschaftsbank und die Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) werden am Rande des Frankfurter Westends zwei Wolkenkratzer hochziehen dürfen. Den Bau eben dieser Hochhäuser hatten die Grünen in ihrem Kommunalwahlprogramm aus ökologischen, verkehrspolitischen und städtebaulichen Gründen abgelehnt. Ein Trostpflaster sollen die Grünen dafür bekommen: Der gleichfalls umstrittene Hochhausturm am Hauptbahnhof („Campanile“) soll nun nicht gebaut werden. Den Kompromiß hatte ein „Frühstückskabinett“ der Koalition (so nannte es eine Sprecherin des grünen Kreisvorstandes) ausgeheckt, mit Oberbürgermeister Volker Hauff und seinem Planungsdezernenten Wentz auf der SPD-Seite und den Grünen Daniel Cohn-Bendit, Umweltdezernent Tom Koenigs und Lutz Sikorski.

Doch als am Dienstag abend die Kreisversammlung der Grünen begann, war das der Basis zu wenig Balsam auf die Hochhauswunden. Der Radikalökologe Björn Uwe Rahlwes brachte es auf den Punkt: „Die Vermischung mit dem Campanile ist nicht zulässig, denn der war schon in den Koalitionsvereinbarungen als nicht akzeptabel bezeichnet worden.“ Und deshalb sei die Absage dieses Projekts auch kein Verhandlungserfolg der Männerrunde am Frühstückstisch.

Schützenhilfe erhielt Rahlwes an diesem Abend von Hannelore Kraus, die als Einzelkämpferin den Bauherren des „Campanile“ den Abtritt ihrer Rechte als Grundstücksnachbarin verweigert, so daß die noch vom CDU-Magistrat erlassene Teilbaugenehmigung für den Büroturm noch immer nicht rechtswirksam ist. Die Grünen, so der Appell der „Frau aus dem stinknormalen Volk“, wie sie sich selber bezeichnet, sollten sich von den Sozialdemokraten nicht auf die alte Schiene von „Teile und herrsche“ ziehen lassen. Die Hochhäuser im Westend dürften nicht gegen den „Campanile“ ausgespielt werden, Die grüne Partei trage schließlich „verdammte Verantwortung“ gegenüber der Bevölkerung im Westend und Gutleutviertel am Bahnhof.

Die Kompromißler um die genannte Männerrunde und die Fraktion im Stadtparlament Römer kamen nach der vielbeklatschten Rede von Hannelore Kraus in arge Bedrängnis. Fraktionsmitglied Micha Brumlik, der den Leitantrag der Mandatsträger und Amtsinhaber begründet hatte, verwies auf die der Stadt drohenden Regreßforderungen von Deutscher Genossenschaftsbank und BfG, falls deren Glitzerpaläste per Beschluß der Koalition nicht gebaut werden könnten. Schuld aber sei alleine die abgewählte CDU, die noch zwei Tage vor den Kommunalwahlen dem rot-grünen Magistrat mit ihren „Knebelungsverträgen“ für die Hochhäuser die Hände gebunden habe.

Falls die Stadt tatsächlich Millionenbeträge für die Entschädigung der Investoren zahlen müsse, die schon Geld in die Infrastruktur gesteckt haben, würden gerade von den Grünen gewollte ökologische und soziale Projekte über den vielzitierten Jordan gehen. Über die Höhe dieser Regreßforderungen allerdings schwiegen sich die Kommunalpolitiker aus. Summen zwischen 30 und 130 Millionen Mark wurden in die Debatte geworfen.

Genaueres konnte auch Umweltdezernent Tom Koenigs nicht sagen, obgleich er Einsicht in die diversen Gutachten zum Thema gehabt hat. Für die Radikalökologen konstatierte Björn Uwe Rahlwes, daß es an der „öffentlichen Nachprüfbarkeit“ der Aussagen der beteiligten Mitglieder des „Küchenkabinetts“ und der Fraktion mehr als mangele.

Kein „Einstieg

ins Konfliktbündnis“

Rahlwes kam zu dem Schluß, die ganze Debatte um die Regreßforderungen der Investoren sei nur vorgeschoben. Für die SPD habe das Hochhaus der gewerkschaftsnahen BfG nie zur Disposition gestanden. Und um nicht eine öffentliche Debatte über den Filz zwischen BfG, DGB und SPD aufkommen zu lassen, habe die Partei auch das Hochhaus der Deutschen Genossenschaftsbank akzeptieren müssen. Micha Brumlik bestätigte indirekt die Einschätzung des Fundamentalisten: „Die SPD hat einiges zu verbergen, deshalb hat sie sich nicht bewegt.“ Hätten die Grünen voll dagegengehalten, so Brumlik, wäre das zwar nicht unbedingt das Ende der Koalition gewesen, wohl aber der „Einstieg in das Konfliktbündnis“. Die Fundamentalisten schlugen sich vor Lachen auf die Schenkel.

Herbe Kritik mußte auch Daniel („Dany“) Cohn-Bendit, Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten, einstecken, der beim Brötchenholen für das „Küchenkabinett“ erwischt worden war. Der machte allerdings aus seiner Sympathie für die spiegelverglasten Türme auch keinen Hehl: „Es ist echt geil, angeturnt und mit dem Walkman auf dem Kopf durch die Hochhausschluchten zu fahren.“ Nur der „Campanile“ dürfe nicht gebaut werden: eine „schlimme Sünde“, weil ein ganzes Stadtviertel zerstört würde.

Tiefschlag

Einen heftigen verbalen Schlagabtausch lieferte sich Cohn -Bendit dann noch mit dem Fundamentalisten Manfred Zieran, der den Realpolitikern zuvor vorgeworfen hatte, über den Hochhausbau die Krebsrate in Frankfurt in die Höhe treiben und - in Anlehnung an ein Klimagutachten aus dem Jahre 1976

-eine „Totluftzone“ in der Stadt schaffen zu wollen. Cohn -Bendit nannte Zieran den „größten Babbler vor dem Herrn“ und ein „Arschloch“. „Lügner, Lügner!“ tönte es vom Tisch der Fundamentalisten zurück. Cohn-Bendit brachte die Zeternden nur mit einem Tiefschlag zum Schweigen: Der Radikalökologe Zieran habe sich, so wußte er zu berichten, eine Eigentumswohnung gekauft und sei dabei, mit rabiaten Mitteln die Mieter daraus zu vertreiben.

Als kurz nach 23 Uhr die Abstimmung nahte, lag Spannung in der Luft. Die Basis wankte, denn daß sie von den Machern im Römer über den berühmten Löffel balbiert wurde, stand außer Zweifel. Jenseits der verabredeten Koalitionsrunden waren von einem „Frühstückskabinett“ in wichtigen Details nicht nachvollziehbare Entscheidungen getroffen worden. „Geld gespart - Glaubwürdigkeit verloren“, nannte das eine Sprecherin des Kreisvorstandes, die in dessen Namen eine juristisch wasserfeste Prüfung der gesamten Thematik verlangt hatte.

Die fast 100 anwesenden Mitglieder der Frankfurter Grünen votierten dennoch mehrheitlich für den Leitantrag der Kompromißler - und damit für den Fortbestand der rot-grünen Koalition am Main. Das gerade 100 Tage alt gewordene Bündnis war den meisten der Versammelten nicht zuletzt im Hinblick auf die hessischen Landtagswahlen 1991 und die Bundestagswahl schließlich wichtiger als die beiden Hochhäuser an der Mainzer Landstraße, die - falls das rot -grüne Bündnis geplatzt wäre - ohnehin gebaut würden.

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