Frankfurt gewinnt DFB-Pokalfinale: Kovac rehabilitiert sich
Nach einer beinahe gekippten Saison feiert Frankfurt doch noch den Einzug in die Euro League. Mit viel Einsatz rangen die Frankfurter die Bayern nieder
Als die Frankfurter Reservebank Sekunden vor dem 3:1 das Feld stürmte, überwältigt davon, welche Sensation gerade Gestalt annahm, blieb Niko Kovac an der Seitenlinie zurück. Die ganz großen, exaltierten Gesten blieben ihm fremd; auch die abgehobene Esoterik eines Beckenbauerschen Spaziergangs allein auf dem Rasen mochte er nicht ergreifen. Kovac bejubelte den Sieg im kleinen Kreis mit seinem Trainerteam.
Als er später in der Kurve unter Namensrufen gefeiert wurde – von denselben Anhängern, die ihn vor dem Spiel innig ausgepfiffen hatten – muss eine gewisse Genugtuung dabei gewesen sein. Und neben allem Stolz vielleicht Wehmut über den Abschied von einem Team, das mit großer Seele die höchste Überraschung seit dem Sensationspokalsieg des 1. FC Nürnberg erkämpfte. Und die Niko Kovac fast als Vaterfigur verehrt. Beim FC Bayern wird er lange darauf warten müssen, eine Mannschaft in solcher Weise zu prägen.
Es gehört zu den Eigentümlichkeiten und Ungerechtigkeiten des Fußballs, dass ein einziges Spiel darüber entscheiden kann, wie das eigene Erbe im Nachhinein beurteilt wird. Die letzten Wochen in Frankfurt, die Dissonanzen um Kovacs Abgang, hatten die Leistung von Team und Trainer in den vergangenen zweieinhalb Jahren ein wenig in Vergessenheit gedrängt. Der 3:1-Triumph des Frankfurter Außenseiterteams über die Bayern ist die große Rehabilitierung Kovacs, ein Kraftakt des Willens seiner Frankfurter. Und eine ironische Wendung in einem Finale, das ganz auf den Karriereabschied von Jupp Heynckes ausgelegt war. Heynckes blieb der Pokal versagt, sein Abschied fiel dennoch wenig wehmütig aus.
Er wirkte ein wenig, als habe er abgeschlossen. Trotz der unrühmlichen Verabschiedung seiner Mannschaft, die nicht für die Frankfurter Spalier stand, wird Heynckes' Image unangekratzt bleiben. Auch im letzten Spiel zeigte der Trainer noch ein wenig Größe. Angesprochen auf die wohl eindeutige Elfmetersituation, die in der Nachspielzeit nicht für die Bayern gegeben wurde, sagte Heynckes: „Wir müssen uns selbst kritisieren, nicht den Schiedsrichter.“ Er habe sich in seiner Karriere nie zum Schiedsrichter geäußert.
Die Bayern wirkten ratlos
Es war rechtens, dass der Bayern-Coach die Niederlage nicht am Elfmeter festmachte, denn der war beileibe nicht die entscheidende Situation. Fast wirkte es im Nachhinein prophetisch, was Kevin-Prince Boateng gesagt hatte: „Es wird die Zeit kommen, wo der kleinere Verein mal gewinnt. Warum soll es jetzt nicht Frankfurt sein? Wir haben Maschinen, die ohne Ende laufen und sprinten können. Wir sind aggressiv.“ Die Frankfurter Maschinen legten die ganze Bayern-Zentrale lahm. Fast das gesamte Spiel über verdichtete der Außenseiter das Mittelfeld so geschickt, dass die Bayern ihr Passspiel kaum entfalten konnten.
Vor allem der konsequent bewachte Ribéry hatte sichtlich keine Freude auf der Außenbahn. Die Bayern wirkten ratlos; die Frankfurter Führung durch Ante Rebic (11') nach Schlampigkeit von James war durchaus verdient. In der zweiten Halbzeit gelang Lewandowski mit der ersten sehenswerten Bayern-Kombination der Ausgleich, aber am Spiel ändert das nicht viel. Nach einem Konter war es erneut Rebic, der das vorentscheidende 2:1 erzielte (82').
Frankfurts Pokalsieg, gewiss, beruht auch auf einiger Mithilfe der Bayern. Der Favorit wirkte von Anfang an neben der Spur. Die Defensive leistete sich ungewohnte Fehler im Spielaufbau, das Zusammenspiel war ideenlos und fahrig, und die schlechte Chancenverwertung erinnerte an das Spiel gegen Madrid. Wäre Kovac Toni Kroos, hätte er berechtigt sagen können: Wir hatten nie das Gefühl, dass die Bayern dieses Spiel noch drehen würden.
Stattdessen sagte er: „Das Spiel hat gezeigt: Wenn man eng zusammenrückt, kann man alles schaffen. Im Sport und in der Gesellschaft.“ Ein sicher nicht zufälliger Verweis auf die multikulturelle Durchmischung seiner Truppe, die auch funktionierte, weil ihr Trainer es schaffte, vermeintliche Bad Boys zu integrieren. Oder, um Kovac-Sprech zu bemühen: „Das sind alles ganz zahme Burschen.“
Kovac hat jetzt in Bayern was zu tun
Dem FC Bayern wird es nicht schmecken, dass ihr zukünftiger Coach das Starensemble im Pokalfinale so düpierte. Man darf sich aber freuen auf einen Trainer, der das in München so gern gesehene Händchen für Mannschaftsführung hat. Niko Kovac ist damit seinem Vorgänger Heynckes nicht so unähnlich. Mehr fleißiger Arbeiter denn großes Genie, mehr Taktgeber denn Zampano, und einer, der sich über Empathie im Umgang mit Spielern und leises Taktieren definiert. Die Bodenständigkeit hat schon in der Vergangenheit eingeladen, ihn zu unterschätzen; aber erst die Kovacsche Nüchternheit ließ die Eintracht über sich hinaus wachsen. Beim Rekordmeister allerdings wird man mehr von ihm erwarten als geschickten Defensivfußball.
Nach einer beinahe gekippten Saison feiert Frankfurt doch noch den Einzug in die Euro League. Und Kovac wird sich zumindest für ein paar Wochen freuen über das Schweigen jener Kritiker, die ihn in München eher als besseren Praktikanten sehen; woran auch die Bayern-Führung mit ihrer Moderation der Trainersuche Schuld hatte. Die Streitigkeiten rund um den Abschied sind derweil in Frankfurt auch mit dem Finalsieg nicht ganz vergessen, und sie nagten sichtlich an Kovac. „Ich habe nichts verbrochen“, betonte er nach dem Spiel. Der Vorwurf der Gefühllosigkeit und emotionalen Kälte saß tief.
„Ich habe meine Gefühle, meine Wahrheit“, so Kovac, der nach dem Spiel weinte. „Wir müssen nicht mehr über irgendwas reden, man hat meine Gefühle gesehen.“ Weniger die Tränen denn eher der Pokalsieg dürften so manchen verärgerten Frankfurter versöhnlich gestimmt haben. Für Kovac hat die Niederlage der Bayern noch einen positiven Nebeneffekt: Er hat jetzt was zu tun in München. Die Meisterschaft, das Single statt Triple, ist eine machbare Startfläche. Guardiola war sie nicht vergönnt.
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