■ Frankfurt: CDU feuert den grünen Stadtkämmerer Koenigs: Aus Schwäche geputscht
Die direktgewählte Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) hat die Kommunalwahlen – am eigenen Anspruch gemessen – verloren. Die lang ersehnte bürgerliche Koalition von CDU und FDP hat in der neuen Stadtverordnetenversammlung deutlich weniger Sitze als SPD und Grüne. Roth, wegen des mäßigen Wahlergebnisses von der gutbürgerlichen FAZ ebenso abgewatscht wie von ihrer Landespartei ignoriert, nutzte den Umstand, daß auch die Reps noch einmal gewählt wurden. Sie fälschte den Verlust der absoluten Mehrheit durch SPD und Grüne in ein Votum für genau jene bürgerliche Politik, die bei den Wählern keine Mehrheit fand, um und servierte den erfolgreichen grünen Kämmerer Tom Koenigs, Spitzenkandidat der Wahlsieger, ab.
Koenigs, dem es zunehmend besser gelang, in seiner Finanzpolitik notwendiges Sparen mit einer Politik der sozialen Integration für alle Frankfurter zu verbinden, hat Maßstäbe gesetzt, an denen sein von Roth bestellter Nachfolger, Stadtrat Glaser (CDU), nur scheitern kann. Zumal Glaser, ein für seine langen Reden berüchtigter Deregulierungsfanatiker, auf Steuereinnahmen verzichten will, um den Unternehmern zu nützen. Irgendwann – so sein Credo – könnten ja neue Arbeitsplätze entstehen und durch neue Firmengründungen wieder mehr Steuern hereinkommen. So wird es nun auf die lädierte SPD ankommen, ob die Stadt als Basis des Sozialstaats zerstört wird oder nicht. Nun muß die Partei einem christdemokratischen Wirtschaftskurs, der so neoliberal ist, daß es keiner FDP bedarf, kompromißlos Paroli bieten. Leider sind Zweifel angebracht – winkt doch fürs Nachgeben manch hübscher Magistratsposten.
Frankfurt hatte stets den Ruf, der politische Seismograph der Republik zu sein. Hier läßt sich seit Sonntag beobachten, wie eine Große Koalition – die allemal ein Bedürfnis von Verlierern und Geschwächten ist – aussehen könnte. Die SPD als Betriebsrat des Parlaments sähe mißvergnügt zu, wie die CDU ganz ohne Liberale das soziale Netz so weit ausdünnt, daß es eines Tages reißt.
Internationalisierung der Märkte – Nationalisierung des Bewußtseins: Die Frankfurter CDU ist mit Stadtrat Glaser nicht nur ihre eigene FDP, sondern mit dem neuen Fraktionsvorsitzenden Mihm auch ihre eigene CSU. Der hat gerade erklärt, daß er gegen die Wehrmacht-Ausstellung in der Paulskirche ist. Wetten, ob Petra Roth zu dieser Eröffnung erscheint, werden noch angenommen. Micha Brumlik
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen