Fraktionsvorsitz Die Linke: Sahra Wagenknecht macht's nicht
Bei den Wahlen im Herbst will Wagenknecht nicht antreten – obwohl sie stets auf eine Doppelspitze gepocht hatte. Die Genossen rätseln.
BERLIN taz | Es ist ein überraschender Rückzieher. Denn eigentlich wollte Sahra Wagenknecht unbedingt Chefin der Linksfraktion werden. Erst vor gut einem Jahr hatte Fraktionschef Gysi – nach langem Zögern – grünes Licht für eine Doppelspitze aus Wagenknecht und Dietmar Bartsch gegeben: links-rechts, Mann-Frau quotiert. Doch jetzt will Wagenknecht nicht mehr.
Ihre Begründung: Die GenossInnen stimmten kürzlich erstmals für das Griechenland-Hilfsprogramm der Bundesregierung – um Syriza zu unterstützen. Das sei „ein strategischer Fehler“ wettert Wagenknecht, die sich enthielt.
In der Fraktion rätseln die Genossinnen und Genossen: Warum dieser Rückzug? Warum jetzt? „Diese Entscheidung hat alle überrascht“, so der Pragmatiker Stefan Liebich. Manche meinen, Wagenknecht habe erkannt, wie mühsam der Job ist, die immer mal wieder tief gespaltene Fraktion zusammenzuhalten.
Seltsam wirkt, dass Wagenknecht bei einem Pressehintergrund zwei Tage vor der Griechenlandabstimmung im Bundestag sachlich dargelegt hatte, dass sie auch akzeptable Gründe für ein Ja sah, sich selbst aber enthalten werde. Nach einer bevorstehenden Entscheidungsschlacht, an der ihre Karriere hängt, klang das nicht. Bei der Fraktionssitzung am vergangenen Freitag, direkt vor der Griechenland-Abstimmung, war sie mit einem inhaltlichen Antrag gescheitert. Offenbar war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Dass mir die Fraktion per Mehrheitsbeschluss verweigert, ihr auch nur meine Argumente für ein anderes Stimmverhalten vorzutragen – bei einem Thema, für das ich seit 2010 öffentlich an vorderster Stelle die Positionen der Linken vertrete – ist ein offener Affront und unterstreicht, dass ein Teil der Fraktion in eine andere Richtung gehen möchte als ich sie für sinnvoll halte“, schreibt Wagenknecht in einer persönlichen Erklärung.
Die Realos haben den Freitagmorgen anders in Erinnerung: Es herrschte Zeitdruck – über Griechenland hatte die Fraktion doch schon am Dienstag beraten. Als Profi müsse man mit solchen Situationen klar kommen. Bei der Griechenland-Abstimmung im Bundestag, bei der selbst der linke Flügel überwiegend mit Ja stimmte, war Wagenknecht hoffnungslos in der Minderheit. Dietmar Bartschs Karrierepläne sind damit auch mal wieder auf Eis gelegt. In der Fraktion geht man davon aus, dass Gysi im Herbst als alleiniger Fraktionschef weitermachen wird. Mit Bartsch und Wagenknecht als Vize.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind