Fragwürdiges Zugeständnis: Musharraf legt den Schafspelz an
Vor einem entscheidenden Gerichtsurteil gibt der pakistanische Staatschef dem Druck nach und raümt den Posten als Oberbefehlshaber der Armee.
DELHI taz Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf gibt dem wachsenden Druck gegen seine Herrschaft anscheinend nach: Musharraf werde noch dieses Jahr den Posten des Armeechefs räumen, erklärte Mushahid Hussain Sayed, Generalsekretär von Musharrafs PML-Partei, am Montag in Islamabad. Der Staatschef werde sich vor dem 15. Oktober vor dem Parlament zur Wiederwahl stellen. Damit kommt Musharraf einer möglicherweise niederschmetternden Entscheidung des Obersten Gerichts zuvor. Dieses hatte vor drei Wochen eine Klage gegen seine Doppelrolle als Armeechef und Präsident zugelassen. Gestern begannen die Richter mit der Anhörung der Anträge.
Einen Siegeszug der Demokratie läutet dieser Teilrückzug jedoch nicht ein. Bereits am Sonntag hatten pakistanische Medien berichtet, die Wahlkommission des Landes habe eine Ausnahmeregelung für den Militärmachthaber erlassen: Er dürfe für das Amt des Präsidenten kandidieren, obwohl er derzeit als Armeeangehöriger im öffentlichen Dienst tätig ist. Eigentlich dürfen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes - also auch Armeegeneräle - nach ihrem Ausscheiden aus dem Staatsdienst zwei Jahre lang für kein politisches Amt kandidieren.
Auch der Zeitpunkt der Präsidentenwahl sorgt für Kritik. Musharraf möchte sich unmittelbar vor Ablauf der aktuellen Legislaturperiode des Parlaments und der vier Regionalversammlungen im Amt bestätigen lassen. Zurzeit verfügt er über eine stabile Mehrheit. Angesichts der derzeitigen Stimmungslage dürfte Musharrafs Unterstützerpartei PML Umfragen zufolge jedoch bei den Wahlen, die Anfang nächsten Jahres abgehalten werden sollen, massiv einbrechen. Doch dann ist Musharraf, wenn alles nach Plan läuft, bereits wieder für fünf Jahre Präsident.
Dennoch könnte es eng werden für den Militärmachthaber. Seine Gegner fordern in ihrer Klage vor dem Obersten Gericht auch, die Wahlen zum Parlament und zu den Regionalversammlungen vor der Präsidentenwahl abzuhalten. Vertreter der Oppositionsparteien kritisierten die Ausnahmeregelung der Wahlkommission scharf . Eine Allianz unter der Führung des Ex-Premiers Nawaz Sharif, der Anfang vergangener Woche kurz nach seiner Rückkehr nach Pakistan nach Saudi-Arabien abgeschoben worden war, kündigte Konsequenzen an: Sollte die Wahlkommission Musharrafs Kandidatur unter diesen Voraussetzungen annehmen, würden die Oppositionsparteien aus dem Parlament und den Regionalvertretungen aussteigen, erklärten Parteivertreter am Sonntag.
Die Pakistan Peoples Party (PPP) der Ex-Premierministerin Benazir Bhutto, die sich der Allianz um Nawaz Sharif nicht angeschlossen hat, bezeichnete die Ausnahmeregelung als "illegal und verfassungswidrig". Schritte dagegen kündigte die PPP aber nicht an. Aus gutem Grund: Erst am Freitag hatte Bhutto, die wegen Korruptionsvorwürfen Pakistan 1999 freiwillig verlassen hatte und heute in London lebt, ihre Rückkehr für den 18. Oktober angekündigt. Schon seit Monaten verhandelt sie mit Musharraf über eine Teilung der Macht. Dem Deal zufolge würde Bhutto Musharrafs Kandidatur zum Präsidenten unterstützen, wenn er im Gegenzug die Korruptionsvorwürfe gegen sie niederschlägt, vom Posten des Armeechefs zurücktritt und ein Gesetz zurücknimmt, das ihre dritte Amtszeit verhindert. Die letzten beiden Punkte hatte Musharraf immer abgelehnt. Doch mit seinem angekündigten Teilrückzug von der Macht steht Musharraf jetzt kurz davor, Bhuttos wichtigste Forderung zu erfüllen. Der Politikerin sieht sich deswegen im Aufwind: Am Sonntag drohte sie in einem Interview, ihre Partei werde sich der Oppositionsallianz anschließen, sollte es in den Gesprächen über den Deal nicht vorangehen.
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