Fragwürdige Spendensammler: Das Geschäft mit der Dose
Nicht jeder Sammler mit einer Spendendose will Geld für einen guten Zweck. Die Berliner Tafel und eine Suppenküche haben Anzeige erstattet - gegen einen Verein, der angeblich in ihrem Namen um Geld bittet
Wer Gutes tun und spenden will, sollte beim Wurf von Bargeld in Spendendosen vorsichtig sein. Die Beschwerden über falsche Spendensammler häufen sich. Die Berliner Tafel und die Lichtenrader Suppenküche haben jetzt sogar Anzeige wegen Betrugs erstattet. Der Vorwurf: Spendensammler sollen in U-Bahnen im Namen beider Hilfsorganisationen ohne deren Wissen Geld gesammelt haben. Der beschuldigte Verein Bündnis von Bürgern (BvB) bestreitet die Vorwürfe. Experten raten generell von Dosenspenden ab.
"Wir haben vermehrt Meldungen von Bürgern und Ehrenamtlichen bekommen, dass das Bündnis von Bürgern in unserem Namen Spenden sammelt", erklärt Sabine Werth, Vorsitzende der Berliner Tafel. In dieser Woche hat der Verein deshalb Anzeige wegen Betrugs erstattet, genau wie die Lichtenrader Suppenküche.
Bei der gehen die Vorwürfe noch weiter: Das Bündnis von Bürgern soll auf seiner Internetseite und im Schaufenster seines Charlottenburger Büros im Namen der Suppenküche für Spenden geworben haben. "Wir fühlen uns massiv benutzt und haben Angst um unseren Ruf", erklärt Alex Benkel, die Vorsitzende der Suppenküche. Aufmerksam geworden war die Suppenküche, die sonntäglich Essen an bis zu 120 Menschen ausgibt, Ende Januar durch den Hinweis eines Studenten. Dessen Mitbewohnerin wollte sich bei dem Bündnis als Fundraiserin bewerben. Beide waren angesichts der Internetseite stutzig geworden. "Die gaben sich als Dachverband aus, hatten aber nicht einen Mitgliedsverein benannt, und auch alle ihrer Projekte waren sehr unkonkret beschrieben", erklärt der Student seine anfängliche Skepsis.
Sammler in der U-Bahn
Kurz darauf waren ihm in der U-Bahn zwei junge BvB-Spendensammler aufgefallen. "Die haben explizit gesagt, sie sammeln für die Suppenküche Lichtenrade", erzählt der 23-jährige Pädagogikstudent. Auch auf seiner Homepage stellte der Verband die Suppenküche vor. Doch die wusste weder davon noch von den Spenden. Der Student sagt, er habe bei dem Bündnis angerufen und gefragt, ob das Geld bei der Lichtenrader Einrichtung lande, wenn er auf der Internetseite online spende. BvB-Geschäftsführer Ricardo Czapla habe dies bejaht.
Der weist den Vorwurf zurück. "So eine Antwort habe ich garantiert nicht gegeben, denn wir haben nie im Namen der Suppenküche Lichtenrade gesammelt", sagt Czapla der taz. Da eine eigene BvB-Essensausgabe erst im Aufbau sei, habe man auf der Internetseite die Suppenküche Lichtenrade exemplarisch vorgestellt, so der Geschäftsführer. Inzwischen sind diese Seiten gelöscht. Stattdessen wirbt der vor vier Monaten gegründete Verein für geplante Projekte in Kambodscha und Brandenburg.
Auch das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), das vertrauenswürdigen Hilfsorganisationen ein Spendensiegel erteilt, ist bereits im vergangenen Jahr auf den Verein aufmerksam geworden. "Die damalige Webseite war aus Texten anderer Hilfsorganisationen zusammenkopiert", erklärt DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke. Inzwischen sei die Seite aber mehrmals überarbeitet worden. "Wir haben unsere Kritik gegenüber dem Verein formuliert. Sollte das Bündnis weiter massiv werben, werden wir öffentlich eine Warnung aussprechen", erklärt Wilke. Im Moment bestehe dazu aber kein Anlass.
Die drei derzeit auf der BvB-Webseite genannten Mitgliedervereine existieren tatsächlich. "Der Verein hat uns sehr kompetent unterstützt, als wir aus unserem Räumen rausmussten. Dafür nimmt man die 35 Euro Monatsbeitrag in Kauf", erklärt Marina Salewski vom Verein Selbstverteidigung für Frauen. Auffällig ist, dass der Geschäftsführer eines anderen Mitglieds gleichzeitig im Vorstand des Bündnisses sitzt.
Vereine, die auf ihrer Homepage mit fremden Instituten und Projekten werben, sind laut DZI-Geschäftsführer Wilke Einzelfälle. Anders bei den Dosenspenden: "Seit der Abschaffung der Sammlungsgesetze in den meisten Bundesländern hat der Schwindel mit Dosenspenden massiv zugenommen", erklärt Wilke. In Berlin darf seit 2004 jeder ohne Genehmigung an öffentlichen Plätzen um Spenden bitten. In der U-Bahn jedoch hat die BVG Hausrecht. "Das Bündnis von Bürgern hatte von uns keine Genehmigung", sagt deren Sprecherin Petra Reetz.
Auch bei charitywatch.de, einer Informations-Homepage für Spender, gehen vermehrt Beschwerden über Dosenspenden-Sammler ein. Über das Bündnis von Bürgern liegen jedoch keinerlei Anfragen zur Überprüfung vor. Das Geschäft mit der Dose kann sich lohnen: "An guten Tagen kann man 150 bis 200 Euro einnehmen", schätzt Stefan Loipfinger, Herausgeber von charitywatch.de. Deshalb raten die Experten: Statt Geld in Dosen zu werfen, sollten sich Spendenwillige gründlich über die Organisation informieren und direkt dorthin spenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt