„Fotzenfenderschweine“ von Almut Klotz: Das ist das Glück
Liebesgeschichte, Abhandlung über Außenseiter und Autobiografie: Das Romanfragment der Musikerin Almut Klotz ist all das in einem.
Im Frühjahr 2013 starb die Independentmusikerin und Autorin Almut Klotz mit 51 Jahren an Krebs. Kurz vor ihrem Tod erschien noch ein letztes Album – „Lass die Lady ran“ – mit einer ergreifenden Version des Daliah-Lavi-Klassikers „Oh, wann kommst du?“. Nun ist ein letzter, längerer, unvollendeter Text herausgekommen. Der Verlag nennt es „Romanfragment“. „Fotzenfenderschweine“ ist außerdem: Autobiografie, Abhandlung über Außenseiter, Hunde, Katzen und verschiedene Aspekte der Independentkultur, eine große Liebesgeschichte und ein Brief an die interessierten Kreise.
Am Anfang ist die Heldin Anfang zwanzig und verlässt ihre Schwarzwälder Heimat; nicht weil sie das Gefühl hätte, „an der Piefigkeit der Provinz zu ersticken“, sondern weil die meisten Freunde, mit denen sie in der Kleinstadtbohème herumgehangen war, weggezogen sind.
Stilbewusst geht sie nicht wie alle anderen nach Berlin, das die Leute mit Neuer Deutscher Welle, Hausbesetzungen und Christiane F. lockte, sondern nach Hamburg, wo sie wegen ihres badischen Dialekts nur belächelt wird, und arbeitet zwei Jahre lang in einer Peepshow auf St. Pauli. „Zur Peepshow kam ich eigentlich über meinen Vater. Der sagte eines Tages aus Spaß am Telefon: ‚Ich hab im Spiegel einen Artikel über die Reeperbahn gelesen. Da könntest du doch auch arbeiten.‘ Und ich antwortete ebenso scherzhaft: ‚Klar. Mach ich.‘ “ Als Model heißt sie Ilona aus Verona.
1985 zieht sie nach Berlin, fühlt sich geborgen im Umfeld des „Fischbüro, einer Art Jugendzentrum für Nicht-Erwachsen-werden-Wollende“, das in der Vorgeschichte von Techno in Berlin eine Rolle spielt. Drei Jahre später gründet sie mit Christiane Rösinger und Funny von Dannen die Band Lassie Singers. Zehn Jahre später trifft sie den Musiker, Autor, Schauspieler Reverend Christian Dabeler, einen geheimnisvollen, traurigen Mann mit tiefer Stimme und Hund.
Eine Liebe beginnt zwischen Hamburg und Berlin, die atmosphärisch an die großen bohemesken Liebesgeschichten der Weltliteratur erinnert; an Aragon oder Sklowskis „Zoo oder Briefe über die Liebe“ und die Zeit, als man das las. Almut Klotz schreibt so wahrhaftig und präzise wie Knausgård, nur nicht ganz so detailbesessen und vor allem humorvoller. Das Schöne an dieser Liebesgeschichte ist, dass sie zweistimmig erzählt ist; Reverend Christian Dabeler ist als Sprechender nicht weniger in dem Buch präsent als Almut Klotz.
Abgesehen davon, dass beide „Eltern, Journalisten und Sport“ hassen, gibt es zunächst kaum Gemeinsamkeiten. Sie streiten sich ständig. Er fühlt sich als Außenseiter, geht nie aus und sagt „Wer bei den Lassie Singers war, kann kein Außenseiter sein“, was sie impertinent findet. Endlose Streits und Versöhnungen kommen vorbei. Die Fernbeziehung ist schwierig, zumal sie noch einen kleinen Sohn hat. Die Stile der Hamburger und Berliner Bohème unterscheiden sich sehr; die Herkunftsfamilien noch mehr.
Während Revs Kiezclan „mit Zuhältern und Hehlern zu tun hatte“, kommt Klotz aus einer Lehrerfamilie. Ihre Mutter findet, „er weckt die dunklen Seiten in dir“. Sie fühlt sich geborgen in der Berliner Indieszene, die er eher ablehnt. Nach ein paar Jahren werden sie fürs Durchhalten belohnt und beginnen, zusammen zu schreiben und Musik zu machen. Das ist Glück. Ihre Krebserkrankung streift Almut Klotz nur ganz knapp, als sie davon erzählt, wie sie sich ihre Haare abschneiden möchte und er dagegen ist, weil, wenn man sich die Haare abschneiden will, sucht man einen neuen Freund.
Almut Klotz: „Fotzenfenderschweine“. Verbrecher Verlag, Berlin 2016, 144 Seiten, 19 Euro
Sie lässt es dann. „Er sieht mich schließlich viel öfter an als ich mich selbst. Als dann später aufgrund einer Chemotherapie alle meine Haare ausfielen, streichelte er oft über meine Glatze und sagte: ‚Ich lieb dich auch so.‘ “
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