Fotos des Ex-Bundespräsidenten gedruckt: Christian Wulff verliert
Der Exbundespräsident beim Einkaufen für die Familie – durfte das Magazin „People“ ein Foto der Szene drucken? Ja, entschied der Bundesgerichtshof.
Christian Wulff (CDU) war von 2010 bis 2012 Bundespräsident. Er trat zurück, nachdem die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Vorteilsannahme ermittelte (2014 wurde er freigesprochen). Seine Ehefrau Bettina Wulff war eine unkonventionelle und populäre First Lady. 2013 trennte sich das Paar, die Scheidung war schon eingereicht. Überraschend fanden die beiden im Mai 2015 aber wieder zusammen. Wulffs Anwalt verkündete dies per Pressemitteilung, verbunden mit der Bitte, die Privatsphäre der Familie Wulff zu respektieren.
Wenige Tage später berichtete People über das „Liebes-Comeback“. Im Foto wurde Christian Wulff gezeigt, wie er einen vollgepackten Einkaufswagen vor sich herschob, als Beleg für das erneute Zusammenleben der vierköpfigen Familie. Überschrift: „Wer Bettina liebt, der schiebt“. Einen ähnlichen Bericht gab es in der Neuen Post, auch dort mit Einkaufswagen-Foto. Beide Magazine erscheinen im Bauer Verlag.
Gegen die Veröffentlichung dieser Fotos klagte der Exbundespräsident, da sie seine Privatsphäre verletzt hätten. Beim Landgericht und Oberlandesgericht in Köln hatte er jeweils Erfolg. Der Familieneinkauf sei ein völlig belangloser Alltagsvorgang, ohne jeden Bezug zu einem politischen Ereignis. Die Kölner Gerichte nahmen auf eine kurz zuvor ergangene BGH-Entscheidung Bezug. Danach durfte Berlins Regierender Bürgermeister beim privaten Besuch einer Bar geknipst werden – aber nur deshalb, weil er am nächsten Tag eine wichtige Abstimmung zu überstehen hatte.
Versöhnung per Pressemitteilung veröffentlicht
In der Revision beim BGH argumentierte Bauer-Anwalt Thomas Winter: „Politiker dürfen nicht nur im Zusammenhang mit politischen Ereignissen privat gezeigt werden.“ Es gebe auch andere gesellschaftlich relevante Ereignisse, wie eine Trennung oder das Wiederzusammenfinden eines Ehepaares. Anwalt Winter versuchte aber auch zu beschwichtigen. Christian Wulff müsse nun nicht damit rechnen, bei jedem Einkauf von Paparazzi verfolgt zu werden. „Das war damals eine besondere Situation, wenige Tage, nachdem die Versöhnung des Paars bekannt gegeben wurde“.
Der BGH folgte nun dem Verlag und hob die Kölner Urteile auf. Christian Wulff sei immer noch Politiker und müsse damit in besonderem Maße mit öffentlicher Berichterstattung rechnen. „Als Bundespräsident hatte er das höchste Amt im Staat“, betonte der Vorsitzende Richter Gregor Galke, „als solcher bleibt er im öffentlichen Leben.“ Das habe Wulff ja auch selbst so gesehen, als er die Versöhnung mit seiner Frau per Pressemitteilung verbreiten ließ.
Die Rollenverteilung in der Partnerschaft von Mann und Frau sei auch ein „gesellschaftspolitisches Thema“, sagte Galke. Deshalb gehöre ein Bild, das zeigt, wie der Altbundespräsident nun seine Vaterrolle wahrnimmt, zum Zeitgeschehen. Berechtigte Interessen von Wulff hätten der Veröffentlichung des Einkauf-Fotos nicht entgegengestanden, so die BGH-Richter. Schließlich gehörte der Parkplatz des Einkaufszentrums zur Sozialsphäre und nicht zur Privatsphäre von Wulff.
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