Fotoprojekt #DeinKindAuchNicht: Wenn alle sehen, wie man pinkelt
Erwachsene, die sich mit Brei vollgesudelt haben oder nackt auf einem Töpfchen sitzen: Eine Netzaktion kritisiert Eltern, die ihre Kinder bloßstellen.
„Dass man dort oft Bilder findet, die keine Rücksicht auf die Privatsphäre der Kinder nehmen, stößt mir sauer auf“, sagt Diebel zur taz. Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen garantiert Kindern ein solches Recht. Gefragt werden kann der Filius im Strampler allerdings nicht, ehe er dem Weltpublikum in seiner ganzen Knuffigkeit offenbart wird. „Sharenting“ heißt das Kofferwort dafür, eine Beschreibung für das Elternverhalten, die Daten der Kinder großzügig mit anderen zu teilen.
Neben begeisterungsfähiger Verwandtschaft und anhimmelnden Patenonkeln können auch Missetäter auf die Kinderfotos zugreifen: „Es gibt etliche Seiten, die genau solche Bilder sammeln und in einen sexuellen Kontext ziehen, ohne das Wissen der Eltern“, sagt Toyah Diebel. Die Gefahr pädophiler Ausbeutung ist indes nicht das einzige Problem. Bilder können Kinder auch in anderen Kontexten identifizierbar machen, wie Nadia Kutscher von der Universität Köln schreibt.
In ihrer Studie über Sharenting heißt es: „Datenbroker, die Kinder als Adressat_innen von Werbung betrachten oder Überwachungsakteure“ würden so weit mehr über die Zöglinge als die Farbe des neuen Plüschdinos erfahren. Laut Unicef haben bereits mehr als 80 Prozent aller Zweijährigen in Industriestaaten einen „digitalen Fußabdruck“, also ein Profil oder Bilder in sozialen Medien.
Emojis auf dem Kopf
Was aber tun, wenn man doch mächtig stolz ist auf jeden Rülpser und jedes Zehenwackeln, mit dem der eigene kleine Mensch promethisch das Feuer der Liebenswürdigkeit auf die Erde gebracht hat? Das Deutsche Kinderhilfswerk empfiehlt: „Fotos, die Kinder von hinten zeigen oder mit Detailaufnahmen (z.B. Hände oder Füße) arbeiten, sind in der Regel unbedenklich.“ Gesichter könne man mit Emojis oder Unschärfe unkenntlich machen.
Toyah Diebel sieht ferner die Plattformbetreiber in der Pflicht: „Wenn die Privatsphäre eines Kindes nicht geschützt ist, sollte es verboten sein diese Bilder zu posten“, sagt sie. Bei anderen Fragen greife man schließlich durchaus entschieden ein: „Ein nacktes, weinendes Baby ist okay, aber der Nippel einer erwachsenen Frau nicht?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“