■ Straßmanns kleine Warenkunde: Fotoalbumsticker
Wenn man aus dem Urlaub zurückkommt, gibt es viele gute Gründe, unglücklich zu sein. Ein schlechter ist das Fotoalbumsticker-Problem.
Fotoalbumsticker wurden erfunden, um aus Fotoalben saublöde und stümperhaft hingekrakelte Erläuterungen zu tilgen wie: „Sonnenuntergang bei Puerto Naos, wo immer Badeverbot war“ oder „Leo, wie er den schiefen Turm von Pisa stützt.“ Fotoalbumsticker dagegen sehen klasse aus und sind knackig kurz. In Sprechblasen, die auf die Fotos geklebt werden, steht: Whow oder Das ist grandios oder „Sch..... Technik.
Das Unglück beginnt, wenn man die 24 Sticker (der Satz kostet 99 Pfennig bei Lestra) mit seinen tatsächlichen Urlaubsfotos zusammenbringen will.
Dann hat man plötzlich mit dem Grafiker der Firma Henro zu tun. Dieser ist nicht zu beneiden: Er mußte ja beim Entwerfen der Fotoalbumsticker den Verlauf unseres Urlaubs erahnen. Vermutlich griff er in seiner Not auf eigene Urlaubserlebnisse zurück. So erfahren wir viel über den Grafiker der Firma Henro.
Jedenfalls ist der Grafiker der Firma Henro deutlich ein Mann, wie er ja auch ausschließlich für Männer arbeitet, weil Frauen nie und nimmer Fotos einkleben. Dann ist er Single (Meine Ferienliebe); aber nicht alleinreisend (Unser First Class Hotel); nicht gerade begütert (Ironie in Unser First Class Hotel und Geld spielt keine Rolle); ungebrochen maskulin (Tolle Kurven, Was für eine Figur und Nicht schon wieder); aber tolerant (Andere Länder, andere Sitten). Wir dagegen sind womöglich intolerante reiche Weicheier in den Ketten der Kleinfamilie. Niemals würden wir den Sonnenuntergang von Puerto Naos mit Nicht schon wieder kommentieren. Oder auf das verwackelte Foto von Mutti und Lisa in Pisa und ganz hinten im Schatten den Spruch Was für eine Figur kleben.
Glücklich wird infolgedessen nur, wer in seinem Urlaub von vornherein und konsequent gemäß seinen Fotoalbumstickern lebt. Sich was gönnt (Man gönnt sich ja sonst nichts); alles Gequatsche über Hautkrebs vergißt (Knackig braun); die Nacht zum Tage macht (Eine heiße Nacht); und sich in dicke Frauen verliebt (Ich liebe jedes Pfund an dir).
Der Gedanke, die Fotoalbumsticker als Reiseführer zu benutzen, hat seinen Reiz. Wie oft hängt man auf Sonneninseln rum ganz ohne Plan, ohne jede Ahnung, was man da verloren hat. Die Fotoalbumsticker (Wo ist die Bar?) wären Programm (Jetzt oder nie!) und roter Faden (Ich kam, sah und siegte) und würden dem Urlaub endlich einen Sinn stiften. (...und tschüss...BuS
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