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ForschungErstmals Zellen vom Aids-Virus befreit

Die Forscher sprechen von einem "biotechnologischen Durchbruch" in der Aidsforschung. Doch ob die Methode Infizierte heilen kann, ist noch unklar.

Mit Gentechnik gegen das Virus: Ein Aidsforscher bei der Arbeit. Bild: dpa

BERLIN taz | Forscher aus Dresden und Hamburg haben eine neue Methode zur Behandlung von Aids entwickelt. Ihnen gelang es damit erstmals den Aidserreger wieder vollständig aus infizierten menschlichen Körperzellen zu entfernen. "Das hat bisher noch keiner geschafft", sagte Professor Joachim Hauber vom Heinrich-Pette-Institut in Hamburg, der zusammen mit Kollegen vom Dresdener Max-Plank-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik die Studie im Fachmagazin "Science" veröffentlichte.

Für Hauber sind die Ergebnisse ein "biotechnologischer Durchbruch". Obwohl sie ihre Versuche bisher nur an isolierten Zellen im Reagenzglas durchgeführt haben, gehen die Forscher davon aus, dass ihre neue Methode in etwa zehn Jahren zur Anwendung kommen könnte.

Doch vor zuviel Optimismus muss gewarnt werden, denn bevor diese Methode an Patienten ausprobiert werden kann, müssen noch zahlreiche Hindernisse überwunden werden. So ist auch fraglich, ob sie bei Patienten überhaupt funktioniert.

Ein Dilemma bei den derzeit verfügbaren Aids-Medikamenten ist, dass sie den Aids-Auslöser, das Humane Immunschwäche-Virus (HIV), nicht wieder aus den Körper entfernen können. Das HI-Virus gehört zu der Gruppe der Retroviren, die die besondere Eigenschaft haben nach einer Infektion ihr Erbgut fest in das Genom von Köperzellen zu integrieren. Bei jeder Zellteilung wird damit das HIV-Genom auch an die Tocherzellen weitergegeben. Die heute verabreichten antiviralen Medikamente können aber nur die Vermehrung der Viren unterdrücken; den im Genom der Zellen eingebauten genetischen Bauplan für die tödlichen Viren können sie nicht eliminieren. Werden die Arzneimittel abgesetzt, können sich die Viren auch wieder vermehren.

Um diese tödliche Kette für immer zu unterbrechen, hat das Forschteam um Hauber ein Enzym entwickelt, das gezielt die Bauanweisung für den HI-Virus aus dem Zellgenom herausschneidet. Sie haben dazu ein natürlich vorkommendes Enzym genutzt, dass bisher schon intensiv in der Mausgenetik eingesetzt wird. Diese als "Cre" bezeichnete Rekombinase kann gezielt bestimmte DNA-Sequenzen aus den Genom von Mauszellen entfernen. In vierjähriger Arbeit hat das Forscherteam aus Hamburg und Dresden nun das Enzym Cre schrittweise so verändert, dass sie jetzt den HIV-Bauplan im Genom erkennt und ihn auch herausschneidet. Die neu entwickelte "molekulare Schere" bekam von den Forschern den Namen "Tre".

Im Reagenzglas erfüllte Tre seine Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit der Forscher. Versuchsobjekt waren infizierte menschliche Bindegewebszellen. Zehn Wochen nachdem die Rekombinase Tre den Zellen zugeführt worden war, waren die in Kultur gehaltenen Bindegewebszellen "geheilt": Die Erbsubstanz des Aidsvirus war aus den Zellen verschwunden. "Obwohl Tre bisher nur in menschlichen Zellkulturen getestet wurde, schafft unser Ansatz die technische Grundlage um das Virus später einmal aus Patienten zu entfernen, die mit HIV infiziert sind," erläuterte Hauber. Als nächstes werden "wir jetzt einmal das Enzym verbessern und dann prüfen, wie effektiv und sicher wir die Rekombinase in die infizierten Zellen des menschlichen Körpers einbringen können".

Das könnte sich aber als der schwierigste Teil bei der Entwicklung einer effektiven Aids-Therapie herausstellen. Denn die Rekombinase Tre kann nicht einfach in Pillenform dem Körper zugeführt werden. Man müsste dem Patienten Blut entnehmen und die genetische Information für das Enzym in die Erbsubstanz der Immunzellen einführen, so Hauber. Nachdem die genveränderten Zellen dann wieder zurück in den Körper des Patienten übertragen wurden, soll dann die Rekombinase Tre die HIV-Baupläne eliminieren.

Unklar ist, ob diese gentherapeutische Verfahren im Körper auch so funktionieren. Zudem müsste zuvor ausgiebig geprüft werden, ob es für den Patienten sicher oder doch mit zu vielen Nebenwirkungen verbunden ist.

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