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Forscher über Westerwelle"Er ist noch Oppositionspolitiker"

Ist er ein Meister der politischen Kommunikation oder interpretiert er seine Rolle als Außenminister falsch? Kommunikationswissenschaftler Patrick Donges über Guido Westerwelles Mangel an Sachlichkeit.

"Natürlich, dass er nervös ist, angeschlagen, das merkt man": Guido Westerwelle auf dem NRW-FDP-Parteitag in Siegen. Bild: dpa
Luise Strothmann
Interview von Luise Strothmann

taz: Herr Donges, als Guido Westerwelle die Harz-IV-Diskussion anstieß, analysierten PR-Blogs das als Musterbeispiel für gezieltes Setzen eines Themas. Nun, in der Debatte um Günstlingswirtschaft, kritisieren selbst seine Verteidiger Westerwelles Ton. Ist er nun ein Kommunikationsexperte oder ist er keiner?

Patrick Donges: Er ist ein Kommunikationsexperte. An dem Hartz IV-Beispiel lässt sich das gut erkennen. Er hat mit einem einzigen gezielt überspitzten Zeitungsbeitrag die Diskussion angestoßen – und seitdem, seit gut einem Monat, wird jetzt über Hartz IV diskutiert. Er hat das Thema nicht nur gesetzt, sondern auch am Laufen gehalten. Was man allerdings dabei und auch in der aktuellen Debatte sieht, ist, dass Westerwelle den Rollenwechsel vom Oppositionspolitiker zum Außenminister und Vizekanzler unterschätzt hat. Die Bevölkerung hat an die Rolle des Außenministers und Vizekanzlers andere normative Erwartungen bezüglich der Kommunikation als an einen Oppositionspolitiker. Westerwelle hat diesen Rollenwechsel noch nicht vollzogen.

Welche Erwartungen gibt es an die Rhetorik eines Außenministers?

Der Außenminister ist jemand, der die Interessen der Bundesrepublik Deutschland insgesamt gegenüber dem Ausland vertreten und sich deshalb auch weniger in innenpolitische Debatten einmischen soll. Dem haben die vorhergehenden Außenminister entsprochen. Etwa Joschka Fischer bei den Grünen, der nicht zu jedem innenpolitischen Thema Stellung genommen hat. Oder Frank-Walter Steinmeier bei der SPD, der auch ein bisschen vom innenpolitischen Tagesgeschäft abgehoben war. Und Westerwelle ist da eben noch mittendrin. Weil es innerhalb der FDP niemanden gibt, der seine Rolle als Antreiber der Partei übernehmen kann.

Abgesehen von der Themenwahl - gibt es auch im Stil Unterschiede?

Wenn man etwa die Befürchtung einer „spätrömischen Dekadenz“ als Vizekanzler thematisiert, dann bekommt man natürlich das Problem, dass man die Zustände, die man kritisiert, in gewissem Sinne politisch zu verantworten hat. Zumal, wenn man in einer Koalition mit jemandem ist, der vorher schon vier Jahre regiert hat. Von Regierungspolitikern erwarten wir deshalb mehr Nüchternheit im Stil und Homogenität in den Positionen, während die Zuspitzung von Themen eher Sache der Opposition ist.

Auf dem FDP-Landesparteitag in Siegen am Wochenende wechselte Westerwelle von der Rolle des Angegriffenen in die des Angreifers. Ist das eine erfolgversprechende Strategie?

Grundsätzlich hat er keine andere Möglichkeit, was soll er sonst tun? Allerdings hat etwa sein Generalsekretär mit der Äußerung, dass man die Demokratie gefährde, wenn man Westerwelle kritisiere, der Debatte eher noch Fahrt gebracht statt sie zu entschärfen. Es ist klar, dass er persönliche Beziehungen mit einigen Leuten hat, die er in seine Delegation aufgenommen hat. Der Rest ist jetzt eine Bewertungsfrage. Da kann er sich nur vorwärts verteidigen.

Kann man von einer erfolgreichen Strategie sprechen, wenn die FDP in der letzten Forsa-Umfrage bei 8 Prozent liegt? Vielleicht hätte gerade sachliche Zurückhaltung ihm das staatsmännische Auftreten zurückgegeben.

Natürlich, dass er nervös ist, angeschlagen, das merkt man. Im Tonfall wäre es klüger gewesen, etwas sachlicher zu bleiben, etwa einen Verweis darauf zu geben, wer eigentlich diese Delegationslisten zusammenstellt. Dass man noch versucht hat, Kurt Beck da mit hinein zu ziehen, war zum Beispiel nicht professionell, weil sehr durchschaubar.

In Westerwelles Rede fiel schnell das Wort „Kampagne“, er sprach von einer „durchsichtigen parteipolitischen Verleumdungskampagne“. Was ist das eigentlich aus kommunikationswissenschaftler Sicht?

Ich würde von einer Kampagne sprechen, wenn Kommunikation strategisch geplant und über einen gewissen Zeitraum hinweg ein klares Ziel verfolgt wird. Wenn das Thema einmal da ist, ist die Opposition natürlich daran interessiert, es in den Medien zu halten, und sie werden das auch weiter versuchen. Herr Westerwelle weiß, wie das Spiel läuft und wenn er noch Oppositionspolitiker wäre, würde er genauso versuchen, den Ball am Laufen zu halten.

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13 Kommentare

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  • GJ
    grosser Junge

    Eigentlich ist es geradezu tragisch, dass ein so talentierter Oppositionslautsprecher, dadurch dass er so talentiert war die Seite wechseln musste und nun wie ein kleiner Junge, der sich etwas so lange gewünscht und nun bekommen hat, nichts damit anzufangen weiss.

    Zu unser aller und zu seinem eigenem Wohl sollte er wieder die Seite wechseln und das tun was er (für uns schadloser) kann. Nämlich ohne dass er die Konsequenzen verantworten muss - laut sprechen.

  • S
    Staatsbürger

    Unser Aussenminister bedient das Potential einer möglichen rechten Protestpartei. Nur sind die Schwachen auf denen man total mutig herumtrampelt nicht Einwanderer sondern Arbeitslose. Dass empirisch der ganze liberale Unsinn die deutschen Probleme wie unterfinnazierem Staat, Spaltung der Gesellscahft, zu geringe Bilgungs und Humankapitalinvestitionen nur noch weiter verschärft, steht mal wieder nicht zur Debatte. Die deutsche Politik besteht seit Jahrzehnten aus der angebelich notwendigen Liberalisierung, die auch durch Rot, Grün und Schwarz betrieben wird, sowie Diskussionen um Medienstrategie, Machtpoker und Koalitionshoroskope. So wird das nix mehr.

  • W
    Wolfgang

    Alle Politiker haben eins gemeinsam: das Gefühl und Gespür der Macht.

    Gefühl und Gespür ist in Ordnung, Dummheit allerdings nicht.

  • N
    Nordwind

    Soweit der Kommunikationswissenschaftler.

     

    Von größerer Bedeutung wäre eine sozialpsychologische Analyse unseres narzistischen Vizekanznich.

  • ST
    Stefan Thiesen

    Gelassenheit sollte ein Außenminister und Vizekanzler an den Tag legen. Vor allem Ruhe und Gelassenheit. Westerwelle wirkt seit dem Antritt seines Amtes ständig genervt und defensiv. Warum?

     

    Was mich wiederum nervt, sind die kleinen Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Reden und Leben des Herrn Dr. W. Wer von "Leistung muß sich lohnen" spricht, es zugleich aber gewohnt ist, zwei oder mehr Monatsgehälter eines Entwicklungsingenieurs für einen kurzen Vortrag vor Unternehmervertretern zu bekommen, der hat in meinen Augen die Deutungshoheit nicht wirklich verdient. Ebensowenig wie das Geld für den Vortrag. (P.S.: Ich machs für die Hälfte! Allerdings erzähle ich andere Sachen...).

     

    Dr. T.

  • E
    end.the.occupation

    >> Kurt Beck da mit hinein zu ziehen, war zum Beispiel nicht professionell, weil sehr durchschaubar.

     

    Überhaupt nicht. Schliesslich hat das dazu geführt, dass dieser Teil der Kampagne eingestellt wurde.

     

    Offensichtlich, weil es zur Norm in diesem Lande gehört, dass Spitzenpolitiker gute Freunde - Grossspender - aus der Wirtschaft mitnehmen, wenn sie auf Reisen gehen. Konzeptionell gibt es keinen Unterschied zu Rüttgers Club: "Gib mir Geld/Spenden und ich verschaffe dir dafür Aufträge."

     

    Diese Form der Korruption exisiert allerdings keineswegs nur für Konzernbosse und Manager - sondern in noch viel schlimmerer Form für Journalisten. Der Deal lautet hier: "Wenn du positiv über mich schreibst, dann nehme ich dich mit auf meiner nächsten Auslandsreise." - wobei das sicher nicht die einzige Vergünstigung ist, auf die Journalisten hoffen können.

     

    (Diese Art von Gefälligkeiten ist weit verbreitet. Israel zum Beispiel ködert angehende Journalisten - mit amtlich-deutscher Unterstützung im übrigen - mit sehr kostengünstigen 'Informationsreisen', bei denen die Damen und Herren auf das zuvorkommendste behandelt und gründlichst in das isr. 'Narrativ' eingetaucht werden. Der ein oder andere Alibi-Araber dient dabei ggf. zur Stärkung der Glaubwürdigkeit.)

     

    Während Firmen im Prinzip auch ohne die Geschäftanbahnung durch Westerwelle et al. existieren können - ist die Sache für Journalisten ein klein wenig anders, da ihr Marktwert ziemlich direkt vom Zugang zu den Mächtigen abhängt.

     

    Die Korrumpierung von Journalisten ist jedoch typischerweise ein Non-Thema in der Branche.

  • G
    Gunter

    Wenn ER ein Meister der politischen Kommunikation ist, warum ist DER dann so dermaßen unbeliebt ?

  • F
    FRITZ

    Das Problem scheint mir, dass die CDU und insb. die CSU noch der großen sozialdemokratischen Kuschelkoalition nachhängen. Somit ist Koalitionspolitik aus Sicht der FDP notwendigerweise Oppositionspolitik gegen den eigenen "Partner" und - noch weiter links - den Rest des Parteienspektrums. (Dass die FDP momentan ganz alleine - am richtigen Fleck - steht, sieht man schon daran, dass der alte Konsens aufgebrochen wurde, wonach man Außenminster auf Reisen nicht attackiert.)

     

    Erst wenn der quartalsirre Herzjesu-Sozialist in München abgesägt wurde, wird es in der Koalition Ruhe geben. Der kann es nicht verwinden, dass er mit der FDP regieren muß und da er eine narzistische Persönlichkeitsstörung hat, muss ganz Deutschland mit leiden.

  • T
    t-claudius

    "Er ist noch Oppositionspolitiker" - und hoffentlich auch bald wieder. Liegt ihm ja offensichtlich sowieso besser.

  • R
    reblek

    Ich werde nie verstehen, warum jemandem, der in Opposition ist - oder in dem, was dafür gehalten wird -, eine gewisse Maßlosigkeit zugestanden wird. Es handelt sich dabei schließlich um Unglaubwürdigkeit, wenn derselbe Mensch in der Regierung auf einmal anders redet und handelt.

  • D
    Denkmal

    Der Ton der Arroganz.

    Durch Unsicherheit mangels Kompetenz und geistiger

    Reife kann in Anforderungssituationen ein

    Kompensationseffekt entstehen. Dies ist bei Westerwelle offenbar der Fall. Er ist ein Kompensationstyp, der sich momentan nur noch in

    aufgeblähter Arroganz und Selbstüberschätzung äußert. Der Selbstreflexion unfähig befindet sich Westerwelle in einem Verblendungszustand, der auch

    wohl früher schon die spätrömische Dekadenz befallen hat. Es scheint für Westerwelle die Frage nach dem eigenen Schneid,den er sich von den anderen nicht nehmen lassen will, wichtiger zu sein als Fairness,

    welche ja mal die Möglichkeit bieten würde, eigene

    Fehler einzugestehen.

    Westerwelle ist der diplomatischen Kommunikation

    unfähig. Dieses widerum ist für Deutschland untragbar

    weil gefährlich !

  • M
    Michael

    Guido Westerwelle ist kein Diplomat, von Hause aus, sozusagen. Wer da vorbelastet ist, weiß sich sinnvoller und klüger zu verhalten. Intelligenz ist schön, Klugheit kriegt man anders vermittelt oder man hat sie einfach. In diesem Beispiel eines Außenministers scheint Bildung an einigen Stellen zu fehlen, finde ich. Davon abgesehen ist Stimmungslage und Frustrationstoleranz dem Gesicht dieses Menschen im Laufe seines Lebens regelrecht eingeprägt worden. Herr Westerwelle kämpft offenbar auch mit ganz anderen Problemen als bloß mit politischen, sehr angestrengt, wie wir alle dann und wann, aber in diesem Gesicht lese ich ganz viel Widerstand gegen Veränderungen. Man muß kein Buddhist sein, um das mit der heutzutage manchmal nötigen Gelassenheit und Entspanntheit erkennen zu können. Hoffentlich mischt sich dieses Auftreten nicht bald noch mit einer Opferhaltung, die einem wirtschaftlich starken Land bei internationalen Geschäften nicht gut täte, denke ich. Guido Westerwelle ist in der Öffentlichkeit nicht gerne, aber er wünscht es sich so sehr, scheint mir.

  • MM
    mit Majo

    Vor allem ist Westerwelle ein Lobbyist und ein Snob, Hauptsache seiner Aktivitäten sind seine Wahlkampfspender und deren Pfründe.