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Forscher über Queer-StudiesEntkrampft forschen

Die neu gegründete Bundesstiftung Magnus Hirschfeld arbeitet die Geschichte der Homosexualität auf. Andreas Kraß über Queerstudies an der Universität.

Entkrampft euch! Bild: dpa
Interview von Jana Volkmann

tazlab: Andreas Kraß, wofür brauchen wir die neu gegründete Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die Forschung und Bildung im Bereich Homosexualität fördert?

Andreas Kraß: Es geht darum, Homo- und Bisexualität, aber auch Inter- und Transsexualität sowie Transgender wissenschaftlich seriös zu erforschen. Und zwar mit einer gesellschaftspolitischen Wirkung. Das heißt, dass der Öffentlichkeit Forschungsergebnisse präsentiert werden und dass der gesellschaftliche Diskurs über Homosexualität entkrampft auf eine fundierte Weise geführt werden kann. Ein Schwerpunkt ist die Aufarbeitung der Verfolgung von Homosexuellen in der bundesdeutschen Frühzeit bis 1969.

Wie sah denn die Verfolgung Schwuler und Lesben nach dem Dritten Reich aus?

Im Interview: 

Der von den Nazis verschärfte Paragraf 175, der dazu führte, dass Homosexuelle mit dem Rosa Winkel in Konzentrationslagern inhaftiert wurden, wurde in der Adenauer-Zeit unverändert übernommen - und die schwulen Insassen der KZ galten weiterhin als vorbestraft. Das ist ein großer Skandal, der aufgearbeitet werden muss.

Andreas Kraß

geboren 1963, ist seit 2004 Professor für ältere deutsche Literatur an der Goethe-Universität in Frankfurt und lebt auch in Berlin. Forschungsschwerpunkte: Genderstudies und Mediävistik.

Ist in dieser Hinsicht bereits etwas passiert?

Es ist sehr ermutigend, dass die derzeitige Regierung und insbesondere die Justizministerin die Stiftungssumme zur Verfügung gestellt haben, damit die Stiftung ihre Arbeit aufnehmen kann.

Fällt es schwer, queere Themen an den Unis zu etablieren?

Es ist bei Weitem nicht so schwierig, wie oft behauptet wird! Da muss ich eindeutig widersprechen. Es gibt mittlerweile an den meisten deutschsprachigen Universitäten Forschungszentren für Geschlechterforschung, hier in Berlin, in Frankfurt, in Basel. Im Rahmen der Geschlechterforschung und der feministischen Forschung gibt es auch Kolleginnen und Kollegen, die in den Queerstudies tätig sind. Es gibt noch keine regulären Professuren, aber eine lebendige Forschungsszene. Gerade der wissenschaftliche Nachwuchs nimmt sich vermehrt dieses Themas an. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es sich an den Universitäten künftig noch stärker etabliert.

Andreas Kraß diskutiert auf dem tazlab u. a. mit Nina Degele in „Durch Wissenschaft zur Wahrheit“

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3 Kommentare

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  • S
    spin

    kira-bianca,

    da haben dir aber spiegel ("homo-gen entdeckt") und der rest der hetero-normativen presse einen etwas einfachen forschungs-begriff beigebracht. kultur- und sozialwissenschaft haben (meist, zumindest) nicht mit queer-heilung und "hilfe" zu tun, sondern erforschen z.b, wie, wann, warum und mit welchen mitteln sich heteronormativität durchsetzt, wo sie es warum nicht tut, und wie sie sich modifiziert, abschwächt, verstärkt. oder es geht um reprsäentationen von (nicht)heterosexualität in geschichte und gegenwart, oder, oder, oder.

    forschung abzulehnen, weil sie auch instrumentalisiert werden kann, führt zu anti-intellektualismus und zurück zum mythos. das kann niemand wollen, der für emanzipation ist.

  • KH
    Kira-Bianca Hinz

    Die Eingangsfrage dieses Artikels stellt sich auch mir: Wofür brauchen wir Forschung im Bereich Homosexualität? Es ist doch völlig irrelevant, wieso oder warum es Homosexualität gibt. Entscheidend ist, DASS es sie gibt und DASS sie vorbehaltlos akzeptiert wird. Oder will etwa wieder jemand irrsinnigerweise versuchen, Queer zu heilen? Oder ist man vielleicht der Ansicht, mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln könnte man LGBT eventuell gleich beim Fötus im Mutterleib "abschalten und normalisieren"?

     

    Wir brauchen keine Forschung in Richtung Homo, sondern einfach nur ein Recht, welches komplett LGBT in keiner Weise diskriminiert. Dafür braucht man nicht zu wissen, warum es Homo-, Bi- und Transsexualität gibt. Und Forschung in dieser Richtung hilft keiner/m LGBTlerIn, denn wir brauchen keine Hilfe, weil wir nicht krank sind!

  • E
    elmo_ki

    Es ja nicht nur so, dass allein in den Queer-Studies die Themen und Fragestellungen thematisiert werden. So hat sich innerhalb der Erziehungswissenschaften der Dekonstruktivismus AUCH dem Thema Heteronormativität angenommen. (Jutta Hartmann und Elisabeth Tuider z.B.).

     

    In den Kulturwissenschaften und Kunstgeschichte machen die Visual Culture Studies sich ja auch an das Thema der Heteronormativität im Zusammenhang mit Bildern und weiteren visuellen Repäsentationen. (Sigrid Schade, Silke Wenk u.a.; siehe auch die Reihe "Studien zur Visuellen Kultur" im Trancsript Verlag und die Zeitschrift Frauen Kunst Wissenschaft, die zu diesem Thema veröffentlicht hat.)

     

    In Hamburg gab es mit Anke Engel auch eine Professorin für queer-studies. Leider gibt es die nicht mehr.