Formkrise bei Bayer Leverkusen: Blass wie eine Leinwand
Leverkusen legt einen veritablen Fehlstart in die Fußballsaison hin und ist nun Tabellenletzter. Die Werkself verliert gegen den FC Augsburg 1:2.
Die jüngste dicke Enttäuschung mit Bayer Leverkusen war gerade sechs Stunden alt, da bekam Patrik Schick ganz unverhofft ein wenig seelische Aufbauhilfe. Der stürmende Berufskollege Niclas Füllkrug startete seinen Auftritt im ZDF-„Sportstudio“ in dem Moment mit Überlegungen darüber, wer sich im Jahr eins nach dem Abflug von Weltfußballer Robert Lewandowski Richtung Barcelona am ehesten die Torjägerkrone in der Bundesliga aufsetzen könnte. Füllkrug, in den ersten zwei Partien mit Aufsteiger Bremen selbst schon zwei Mal erfolgreich, grübelte nicht lange – und legte sich fix auf Schick fest.
Zur Begründung führte der meinungsfreudige Füllkrug die starke letzte Saison des Tschechen an. Zudem betonte der Angreifer mit der großen Zahnlücke: „Ich glaube auch, dass er ein sehr kompletter Stürmer ist.“ Den Beweis dieser These blieb Schick am Samstag allerdings komplett schuldig. Vielmehr stand für den 26-Jährigen und seine Leverkusener Spielkameraden nach dem 1:2 gegen Augsburg fest, dass der Einstieg in die neue Runde wirklich kompletter Mist gewesen war.
Mit dem peinlichen Pokal-Aus gegen Drittliga-Aufsteiger Elversberg (3:4) fing es an. Für das 0:1 zum Ligastart in Dortmund gab es dann zwar keine Punkte, aber dank einer ansehnlichen Leistung nach der Pause zumindest die Hoffnung, die eigenen hohen Erwartungen doch erfüllen zu können. Die Pleite gegen den FC Augsburg, der im 23. Versuch erstmals gegen Leverkusen gewann, ließ beim ungewohnten Liga-Schlusslicht nun aber früh die Alarmglocken schrillen. Denn neben den miesen Ergebnissen läuft unter dem Bayer-Kreuz derzeit auch vieles andere schief.
So fehlte gegen Augsburg neben Mittelfeld-Arbeiter Robert Andrich (Bluterguss im Gesäß) mit dem rotgesperrten Keeper Lukas Hradecky auch ein zweiter der wenigen Wortführer im Team. Die hochgelobten Offensivkräfte Schick, Moussa Diaby und Sardar Azmoun blieben gegen die Gäste aus Schwaben und ihren überragenden Schlussmann Rafal Gikiewicz blass wie Leinwände.
„So ein Scheißstart“
Der knapp fünf Monate nach seinem Sehnenriss im Oberschenkel gerade erst zurückgekehrte Amine Adli brach sich das linke Schlüsselbein. Hradecky-Vertreter Andrey Lunev erlitt bei einem Abschlag eine Sehnenverletzung im rechten Oberschenkel. Zudem scheint sich mittlerweile auch der Transfer des ukrainischen Nationalstürmers Mykhaylo Mudryk von Schachtar Donezk zerschlagen zu haben.
Dass Coach Gerardo Seoane am Donnerstag zum vierten Mal Vater geworden und deshalb unter der Woche vorübergehend zu Frau und Familie in die Schweiz gereist war, blieb da erst einmal die einzige erfreuliche Botschaft aus dem Lager des Vorjahresdritten. Weil sie ihren Kader mehr oder weniger komplett zusammengehalten hatten, waren die Rheinländer – mal wieder – als Geheimfavorit und potenzielle Bayern-Jäger in die Saison gegangen. Nun aber hörte man Geschäftsführer Fernando Carro im Kabinengang der BayArena fürs Erste frustriert rufen: „So ein Scheißstart.“
Davon wussten auf der britischen Insel auch die Leverkusener Leidensgenossen ein trauriges Lied zu singen: Mit Cristiano Ronaldo in der Startelf stand das 0:4-Debakel von Manchester United in Brentford bereits nach 35 Minuten fest. Mit der zweiten Niederlage im zweiten Spiel plumpste der englische Rekordmeister am Samstag ans Tabellenende. Und der Däne Mathias Jensen, Brentfords Bester, meinte fast mitleidig über die Verlierer: „Es war offensichtlich, wie schwer sie sich taten.“
An der Dhünn war währenddessen neben Carro auch Abwehrchef Jonathan Tah arg geknickt und befand: „Das ist nicht unser Anspruch. Das ist nicht das, was wir uns vorgestellt haben.“ Damit alles nicht noch schlimmer wird – drei Pflichtspiel-Niederlagen zum Auftakt leistete sich Bayer zuletzt 1979 –, mahnt Übungsleiter Seoane, der im Spiel seiner Mannschaft vor allem „Fluss und Rhythmus“ vermisste, bereits Grundsätzliches an.
Leverkusen sei ambitioniert, aber das erzeuge intern und medial einen gewissen Druck, erklärte der 43-Jährige. Aktuell fehle die notwendige Ruhe und Klarheit, analysierte Seoane noch – und schlug deshalb als Mittel gegen die akuten Beschwerden vor: „Jetzt ist es umso wichtiger, einfacher zu werden und die Sache nicht zu erschweren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Wie er die US-Wahl gewann
Die Methode Trump