Forderung nach Waffenruhe mit Hamas: Israel lässt EU abblitzen

Die EU fordert eine schnelle Waffenruhe zwischen Hamas und Israel. Doch Israels Außenministerin zeigte der EU-Delegation in Jerusalem die kalte Schulter.

Tacheles: Frankreichs Außenminister Kouchner redet mit Israels Außenministerin Livni. Bild: dpa

Die israelischen Streitkräfte haben am Montag Moscheen, Wohnhäuser und Schmugglertunnel im Gazastreifen bombardiert. Mindestens 13 Zivilpersonen wurden bei Kämpfen am Boden und bei Luftangriffen getötet, darunter sieben Kinder, wie palästinensische Ärzte mitteilten. In der Nacht rückten tausende israelische Soldaten mit Unterstützung von Kampfhubschraubern weiter in den Gazastreifen vor.

Palästinenser berichteten am Morgen von Gefechten im östlichen Teil des Autonomiegebietes nahe der Grenze zu Israel. Hamas-Kämpfer schossen Mörsergranaten auf heranrückende Panzer.

Israelische Soldaten besetzten nach palästinensischen Angaben drei sechsstöckige Häuser am Stadtrand von Gaza, um auf dem Dach Geschütze aufzubauen. Die Streitkräfte erklärten, im Flüchtlingslager Dschebalija sei eine Moschee bombardiert worden, in der Waffen gelagert worden seien. In Gaza sollen ein Bunker zerstört und an der Grenze zu Ägypten zahlreiche Schmugglertunnel getroffen worden sein. Kämpfer der Hamas feuerten erneut mehr als zwei Dutzend Raketen auf Israel.

Seit Beginn der Bodenoffensive am 27. Dezember wurden nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen bereits 537 Menschen getötet und rund 2.000 weitere verletzt. Unter den Opfern sind demnach mindestens 200 Zivilpersonen; nach Angaben der Hilfsorganisation terre des hommes waren darunter mindestens 72 Kinder. Am Montag wurden vier kleine Geschwister bei einem Luftangriff auf ein Haus im Osten Gazas getötet, drei Kinder starben beim Beschuss eines Lagers am Küstenstreifen der Stadt.

Die Hamas droht mit Anschlägen auf israelische Zivilpersonen und Einrichtungen in der ganzen Welt. Die Tötung von Palästinensern im Gazastreifen rechtfertige das Töten von Israelis, sagte Hamas-Führer Mahmud Sahar in einer am Montag im Hamas-Fernsehen ausgestrahlten Botschaft.

Israel gerät in der Auseinandersetzung mit der Hamas zunehmend unter internationalen Druck. Zwischen der EU und Israel bestehen "leicht unterschiedliche Haltungen" zum Krieg, kommentierte der tschechische Außenminister und EU-Ratspräsident Karel Schwarzenberg die gestrigen Gespräche mit seiner israelischen Amtskollegin Zipi Livni in Jerusalem. Begleitet wurde er von der EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, dem EU-Chefdiplomaten Javier Solana sowie den Außenministern aus Schweden und Frankreich, Carl Bildt und Bernard Kouchner.

Nach Ansicht der EU müsse "so schnell wie möglich eine Waffenruhe erreicht werden". Schwarzenberg ist nicht der Meinung, dass "das erst möglich ist, wenn all militärischen Ziele erreicht sind". Livni hingegen sprach von einem "Krieg gegen den Terror" und zog die Linie von der Hamas über die Hisbollah bis nach Teheran. Mit Terroristen, so fuhr die Außenministerin fort, "treffen wir keine Abkommen".

Einen neuen und für Israel problematischen Ton schlug Ferrero-Waldner schon am Morgen in Ägypten an, als sie ihre Bereitschaft erklärte, "mit allen Parteien" in Kontakt zu treten. Damit signalisierte die EU-Außenkommissarin eine Aufweichung der europäischen Haltung. Die Staatengemeinschaft definiert die Hamas als "terroristische Vereinigung", mit der keine Verhandlungen zu führen sind.

Noch Montag Abend sollten, laut einer Meldung der ägyptischen Nachrichtenagentur MENA, mehrere Hamas-Vertreter mit ägyptischen Diplomaten in Kairo zusammentreffen. Nähere Angaben lagen zunächst nicht vor. Die Hamas hat einen Waffenstillstand mit Israel für möglich erklärt, unter der Bedingung, dass Israel seine Blockade des Gazastreifens aufhebt und die Grenzübergänge wieder für den Personen- und Warenverkehr öffnet. Israelische Geheimdienstkreise spekulierten laut afp, dass die palästinensischen Islamisten nach einem Weg aus der Krise suchten, bei dem sie ihr Gesicht wahren können.

Livni erinnerte ihre europäischen Gäste daran, dass Israel nichts anderes anstrebe, als Gewalt und Terrorismus zu stoppen, und damit "Teil der internationalen Koalition gegen den Terror" sei. Israel bitte nicht um die Entsendung von Hilfstruppen, "sondern nur darum, die Aufgabe erledigen zu können". Die Außenministerin erklärte, dass ihre Regierung fortan eine veränderte Politik verfolgen will. "Wir haben lange Zurückhaltung bewiesen, das ist nicht länger der Fall. Wer Israel angreift, muss mit einer Reaktion rechnen."

EU-Ratspräsident Schwarzenberg räumte ein, keinen konkreten Plan für eine Waffenruhe vorbereitet zu haben. Das sei ohnehin Sache der beteiligten Parteien. Er drängte jedoch darauf, dass die Grenzen geöffnet werden. "Die Blockade ist unerträglich", sagte er und appellierte, das Thema umgehend zu diskutieren. Israel beruft sich auf die im November 2005 getroffenen Vereinbarungen zum Übergang von Rafah, im Süden des Gazastreifens. "Wir haben diese Einigung mit der PA (Palästinensischen Autonomiebehörde) getroffen, nicht mir irgendwem", beharrte Livni auf ihre Weigerung zur Kooperation mit der Hamas. Die entsprechend des Abkommens zur Beobachtung an dem Grenzübergang stationierten europäischen Polizisten hatten nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen ihre Posten verlassen.

Die Region, so erklärte Livni, sei unterteilt in Moderate und Extremisten. "Unsere Partner sind die Moderaten." Ein Abkommen mit den Extremisten würde bedeuten, die bisherigen Partner zu hintergehen. Die Grenze in Rafah könne erst wieder geöffnet werden, wenn die "legitime Vertretung der Palästinenser" dort erneut die Kontrolle übernimmt. Allerdings will Israel dabei helfen, die humanitäre Notlage im Gazastreifen zu lindern. Livni versprach, europäische Hilfssendungen "bedingungslos" und ohne überflüssige Bürokratie durchzulassen. "Wir wollen die palästinensische Bevölkerung nicht bestrafen."

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