Folkpopsänger Badly Drawn Boy: "Es ist ein bisschen wie ein Bürojob"
Damon Gough alias Badly Drawn Boy ist in Deutschland auf Tournee. Im Interview erzählt der Brite von Songs, die sich selbst schreiben und dem moralischen Druck der Plattenfirmen.
taz: Herr Gough, Sie mögen es gerne kuschelig?
Damon Gough: Wie bitte?
Ihr aktuelles Album klingt noch wärmer und intimer als Ihre anderen, nicht eben kalten und unpersönlichen Platten. Sie gelten als Künstler der Behaglichkeit.
Arno Frank ist taz-Autor und schreibt unter anderem für die Kolumne.
Damon Gough, 41, veröffentlichte 2000 mit "The Hour Of Bewilderbeats" sein erstes Album als Badly Drawn Boy. Unter Kennern gilt allerdings seine EP "It Came From The Ground" von 1999 als unübertroffenes Meisterwerk. Platten wie "Have You Fed The Fish" oder "Born In The UK" waren große Erfolge, ebenso wie sein berührender Soundtrack zu dem Film "About A Boy". Der passionierte Wollmützenträger tourt derzeit durch Deutschland: 19. 11. Köln, 21. 11. Berlin, 22. 11. Hamburg.
Das war keine Absicht. So was geschieht niemals absichtlich. Eine Platte macht sich meistens selbst …
Von alleine?
In gewisser Weise ja.
Wie das?
Indem die Songs so etwas wie ein Eigenleben entwickeln und mir ab einem bestimmten Punkt diktieren, wie sie klingen möchten.
"Its What Im Thinking", Ihr aktuelles Album, ist als Trilogie angelegt …
Derzeit arbeite ich an ungefähr 30 verschiedenen Titeln, die alle vollendet werden wollen. Das braucht Zeit. Wenn ich die ganzen anderen Titel erst hätte fertig aufnehmen wollen, wäre ich wohl jetzt noch dabei. Also habe ich jetzt erst mal zehn Songs veröffentlicht und kann mich in aller Ruhe den anderen widmen, die dann irgendwann hoffentlich eine Trilogie ergeben. Ich will sowieso weniger touren und mehr Musik veröffentlichen. Mal sehen, ob das klappt.
Bei Tourneen wird aber doch das Geld verdient.
Wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre ich wohl nur noch im Studio. Das ist der Ort, an dem alles für mich einen Sinn ergibt. Offen gestanden finde ich aber nichts von beidem, Bühne oder Studio, wirklich einfach.
Wie das?
Im Studio habe ich die maximale Kontrolle, auf der Bühne wird diese Kontrolle an das Publikum abgegeben. Oft ist ein Konzert dann gelungen, weil das Publikum es angenommen hat. Und manchmal gebe ich alles, aber der Funke springt nicht über, weil das Publikum nicht weiß, wie es darauf reagieren soll, was auf der Bühne passiert, und ich das Gefühl habe, es zu verlieren. Das kann mir dann schon das Leben schwer machen, dann stehe ich dort oben und bin verunsichert. Konzerte geben ist nichts, was ich jemals machen wollte. Ich bin da eher so reingerutscht, wie meine ganze Karriere ein einziges großes Reinrutschen gewesen ist. Aber, ach, ich finde es generell nicht einfach, Musik zu machen.
Ach was!
Ich weiß wirklich nicht, wie ich das mache. Wenn Sie mich jetzt fragen würden, wie man einen Song schreibt, ich könnte es nicht erklären.
Dafür haben Sie aber schon viele Songs geschrieben!
Sie sind einfach in meinem Kopf.
Wie sind Sie denn da reingekommen?
Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, dass ich diese Ideen im Studio in Songs verwandeln kann. Das ist es, worauf ich mich am meisten freue. Weil ich das Gefühl habe, dass jetzt Großes bevorsteht. Ich habe das Gefühl, bisher nicht annähernd geleistet zu haben, wozu ich fähig bin. Meine Meinung. Es kann natürlich sein, dass alle anderen das Ergebnis beschissen finden werden. Ich habe es jedenfalls schon in meinem Kopf und bin sicher, dass es einige Leute schockieren wird, dass ich zu so etwas fähig bin, falls ich dazu denn fähig bin. Das ist es jedenfalls, was mich antreibt.
Sie sind wieder auf Ihrem eigenen Label - nicht mehr bei einem Multi. Ist das bequemer?
Das Problem mit großen Plattenfirmen ist für mich der moralische Druck. Denn die Firmen geben mir im Voraus viel Geld - ohne dass ich dafür etwas getan hätte, um davon zu leben und die Platte zu machen, auf Tournee zu gehen, Marketing zu betreiben. Das muss ich jetzt auch alles machen. Alles kostet Zeit. Die Platte muss aufgenommen sein, dann muss ich Besprechungen in den großen Musikmagazinen haben, das fertige Produkt muss hergestellt und in die Plattenläden gebracht werden … das alles sind allein drei Monate, und das kostet auch Geld. Ich weiß das, weil ich mich gerade damit beschäftige. Mit Geld, das ich früher verdient habe. So gesehen ist das also okay. Beck zum Beispiel, wenn Sie sich erinnern, hatte nach seinem ersten Album bei Geffen diesen herrlichen Vertrag, dass er alles veröffentlichen konnte, was er wollte, solange es einen Monat vor oder nach einem seiner Geffen-Veröffentlichungen geschah.
Was war der unangenehmste Moment in Ihrer Karriere?
Neulich bei einem Festival in Schottland war der Sound so schlecht, dass ich nicht einmal über die ersten paar Takte des ersten Songs gekommen bin, eines Songs, den ich jeden Abend spiele, eigentlich kinderleicht. Ich spielte in diesem Zelt, und die Band auf der großen Bühne hinter mir übertönte alles andere, sogar deren Publikum war lauter als meine Musik. Ich habe mehrere Anläufe unternommen, um wenigstens durch diesen einzigen Song zu kommen, wieder und wieder, und am Ende hatte ich es mit Ach und Krach geschafft. Danach spielte ich für eine Viertelstunde oder so Musik von meinem iPod vor, und so kam ich irgendwie durch dieses Konzert. Es war die Hölle.
Sie sind musikalisch in den Achtzigerjahren sozialisiert worden. Warum hört man das Ihrer Musik nicht an? Wo die Achtziger doch gerade wieder so hip sind?
Ja, gerade scheint es mal wieder eine Renaissance dieser Ära zu geben. Das schockiert mich. Aber generell sind das alles Kids, die damals noch nicht einmal geboren waren - oder die damals sehr jung waren und das nun irgendwie vermissen. Was mich betrifft, so hätte ich meinen Beruf verfehlt, wenn ich heute Musik wie in den Achtzigerjahren machen würde. Die Achtziger waren im Hinblick auf den Stil die vielleicht einprägsamste Dekade. Man denke nur an das elektronische Zeug von Depeche Mode bis Howard Jones. Aber es gab auch andere Sachen, etwa die Smiths oder Bruce Springsteen, die nicht wirklich da reingepasst haben. Für mich waren die frühen Neunzigerjahre viel wichtiger, mit amerikanischen Indie-Bands wie Nirvana, Beck, Flaming Lips, Guided By Voices.
Diesen Einfluss hört man aber auch nicht.
Stimmt. Ich folgte damals sogar Jon Spencer Blues Explosion, 1994 muss das gewesen sein.
Sie sind mitgereist?
Ich bin ihm auf dieser Tournee hinterhergereist, ja, und habe ihn sechsmal gesehen, weil mich das so beeindruckt hatte. Trotzdem bin ich handwerklich nicht begabt genug, um tatsächlich den Sound anderer Künstler irgendwie imitieren oder gar weiterentwickeln zu können. Ich kann nur machen, was in meinem Kopf steckt. Das ist auch okay so. Wann immer ich einen Song aufgenommen habe, der nach jemand anderem klang, dann hatte ich wirklich Scheiße gebaut.
Es gibt Kritiker, die sagen das über Ihr aktuelles Album - sie vermissen eine gewisse Härte, Experimentierfreude. Können Sie das nachvollziehen?
Live habe ich manchmal bis zu zehnminütige Soli gespielt. Aber das war dann auch eher ironisch gemeint. Die Sache ist die: Als ich lernte, Gitarre zu spielen, lebte ich in einer Wohnung mit anderen Leuten. Und in einer WG kannst du halt nicht so, wie du vielleicht wollen würdest. Also blieb mir nur die akustische Gitarre. Dieses stille Geschrammel hat mich beeinflusst. Es ist nicht schwer, eine laute Gitarre zu spielen.
Mit "About A Boy" und "The Fattest Man in Britain" haben Sie schon zwei Soundtracks abgeliefert. Was ist daran so reizvoll?
Es ist ein bisschen wie ein Bürojob. Ich kann da nur schwer ablehnen. Reizvoll ist daran, dass ich Songs raushaue, die es sonst einfach nicht gegeben hätte.
Geht für es den Künstler darum, aus der "Comfort Zone" gelockt zu werden, ausgetretene Pfade zu verlassen?
Bei "About A Boy" war es auf jeden Fall so, und es war nicht vergnüglich. Es ging darum, wahnsinnig vielen verschiedenen Leuten zu gefallen, und das bin ich nicht gewohnt. Ich war, glaube ich, kurz davor, aus diesem Job gefeuert zu werden, weil die Leute in Hollywood dachten, ich wäre überfordert. Die Regisseure Chris und Paul Weitz hielten aber zu mir, und die hatten was zu sagen, weil sie zuvor mit "American Pie" einen solchen Hit hatten.
Sie haben mal gesagt, das Texten fiele Ihnen schwer …
Ja. Sehr schwer. Am Ende kommt zwar immer etwas dabei heraus, aber es ist eine schwere Geburt. Zwar notiere ich immer mal wieder Gedichte, einfache Worte oder Phrasen, Slogans. Am Ende aber kommen die Worte immer mit den Melodien, den Akkorden, und sie kommen aus der Dunkelheit. Ich habe keine Ahnung, woher und wie ich diesen Vorgang irgendwie besser kanalisieren könnte. Ich wünschte, ich wäre besser darin.
Der Untertitel des aktuellen Albums ist "Photographing Snowflakes", was doch nach einer poetischen Metapher klingt - nur für was?
Das resultierte aus einem Kneipengespräch, bei dem jemand fragte, was wohl der schwierigste Job der Welt wäre. Ich meinte innerhalb von Sekundenbruchteilen: Schneeflocken fotografieren. Ich frage mich wirklich, wie das geht. Sie schmelzen so schnell und sehen, wenn sie so fallen, nach nichts Besonderem aus. Und doch sind sie so vollkommen und symmetrisch. Mit Songs ist das ähnlich, es ist ein ständiger Versuch, flüchtige Momente einzufangen.
Stimmt es eigentlich, dass Sie von Ihrer Wohnung in Manchester aus die Fans von Manchester United hören können?
Ja, leider, denn ich bin alles andere als ein Fußballfreund und schon gar kein Freund von Manchester United. Ich höre den Fanblock brüllen, wenn sie ein Heimspiel haben. Da kann man schon mal eine Gänsehaut bekommen. Eine schlechte Gänsehaut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau