Folgen des Raucherurteils: Verbieten bleibt erlaubt
Raucher dürfen sich nicht zu früh freuen: Das Verfassungsgericht hält ein vollständiges Rauchverbot in allen Gaststätten für zulässig. Genau darüber diskutiert nun die SPD.
Die Gesundheits- und Umweltpolitiker der SPD wollen das Urteil aus Karlsruhe nutzen, um ein absolutes Rauchverbot in allen Berliner Kneipen durchzusetzen. "Ein komplettes Rauchverbot ist der beste Gesundheitsschutz und sorgt auch dafür, dass es keinen Ärger um die genaue Auslegung von Ausnahmen gibt", findet die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Stefanie Winde.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil am Mittwoch das Berliner Nichtraucherschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt und zwei mögliche Auswege aufgezeigt: Entweder muss das Rauchen in kleinen Kneipen erlaubt werden, damit diese keine rauchenden Gäste an Kneipen mit abgetrenntem Raucherraum verlieren. Oder das Rauchen muss überall verboten werden - auch dann wäre kein Wirt benachteiligt.
Vor genau dieser Entscheidung stand die SPD bereits im Juni 2007, als die Fraktion über den Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz debattierte. 19 SPD-Abgeordnete stimmten damals für ein absolutes Rauchverbot. Doch 29 waren für die raucherfreundlichen Ausnahmen. Die SPD gab damit den Ausschlag - viele Politiker der Linken und deren Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher waren für ein hartes Rauchverbot mit nur wenigen Ausnahmen.
Nach der Sommerpause wird die SPD neu entscheiden müssen: absolutes Rauchverbot oder zusätzliche Ausnahmen für kleine Kneipen? Stefanie Winde will es nochmal probieren: "Jetzt ist mehr als ein Jahr vergangen, wir werden das neu diskutieren und man kann Menschen mit Argumenten ja auch noch überzeugen. Ich glaube, derzeit kann noch niemand absehen, wie die Diskussion diesmal ausgeht."
Der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier lehnt ein absolutes Rauchverbot dagegen weiterhin ab. "Den kleinen Kneipen ist schon jetzt der Umsatz weggebrochen." Er fürchtet ein "Aussterben der Kneipenkultur". Aber was ist mit dem Gesundheitsschutz? "Mir würden dann noch ganz andere Sachen einfallen, die man zum Schutz der Gesundheit unbedingt verbieten sollte", sagt er. Und wenn es wirklich um die Gesundheit geht, "dann sollte man das Rauchen komplett verbieten, auch in den eigenen vier Wänden, das wäre dann wenistens ehrlich".
Gesundheits-Staatssekretär Benjamin Hoff (Linke) sagte, seine Senatsverwaltung trete für den "Vorrang des Gesundheitsschutzes" ein. Die Entscheidung sei allerdings noch nicht gefallen. Laut dem gesundheitspolitischen Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Albers, hält die Linke an der Absicht fest, "die Gefahren durch das Passivrauchen in der Öffentlichkeit zu reduzieren". Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann fordert "ein generelles Rauchverbot für alle Restaurants und Kneipen". CDU und FDP plädieren dagegen für raucherfreundliche Ausnahmen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land Berlin aufgetragen, das Rauchverbot neu zu regeln. Das vom Gericht erlaubte Rauchen in Kneipen bis 75 Quadratmetern gilt nur so lange, bis das neue Gesetz in Kraft tritt. Nach einer groben Schätzung des Lobbyverbandes von Wirten und Hoteliers, Dehoga, gibt es in Berlin 450 Kneipen in dieser Größe. In größeren Kneipen ist das Rauchen weiterhin nur dann erlaubt, wenn es einen abgetrennten Raucherraum gibt. Das Rauchverbot in Behörden und vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen bleibt jedoch.
Die Berliner Klägerin Sylvia Thimm hörte sich das Urteil vor Ort in Karlsruhe an - "mit großer Freude". Am Nachmittag war sie schon wieder auf dem Weg in ihre Kneipe "Doors" in Prenzlauer Berg: "Heute wird gefeiert!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!