piwik no script img

Folgen des EU-FlüchtlingsgipfelsAnbiedern bei Erdoğan

Die EU will eine Milliarde Euro springen lassen, damit die Türkei syrischen Flüchtlingen den Weg nach Europa versperrt. Das könnte funktionieren.

Syrische Flüchtlinge warten in Edirne, Türkei, auf die Weiterfahrt nach Europa. Foto: Reuters

Brüssel taz | Erst die Einheit Europas demonstrieren, dann die ankommenden Flüchtlinge kanalisieren: So beschreiben EU-Diplomaten die Strategie, mit der Brüssel die größte humanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg bewältigen will. Eine Schlüsselrolle spielt die Türkei: Beim Krisengipfel am Mittwoch in Brüssel wollten Kanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs über Hilfen für Ankara beraten.

Hilfen? Auf den ersten Blick ist dies überraschend. Schließlich kommen aus der Türkei seit Wochen die meisten Flüchtlinge nach Griechenland und dann über die Balkan-Route nach Österreich und Deutschland. Bis vor Kurzem unternahmen die türkischen Behörden nichts, um die Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten. Dabei wären sie dazu nach dem Rücknahmeabkommen mit der EU dazu verpflichtet.

Die Türkei müsste sich als EU-Beitrittskandidat auch an die Grundregeln der EU-Außen- und Asylpolitik halten. Brüssel könnte Ankara also zur Ordnung rufen – oder sogar die Marine zum Kampf gegen Schlepper schicken, wie vor der Küste Libyens. Doch daran denken die EU-Politiker nicht einmal im Traum. Schließlich ist die Türkei ein wichtiger Nato-Partner; allein die Rücksicht auf die USA verbietet Sanktionen.

Aber auch die Dimension des Flüchtlingsproblems spricht für Zurückhaltung. Während sich die EU nur mit Mühe auf die Aufnahme von 160.000 Menschen einigte – beim Treffen der Innenminister am Dienstag stimmten vier EU-Staaten dagegen –, beherbergt die Türkei rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien.

Unerklärter Krieg gegen die Kurden

Präsident Recep Tayyip Erdoğan scherzt auch gerne über das europäische Quotensystem. „Wir stehen voll hinter der Quote“, sagte er bei einem Treffen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk. „Allerdings sollte auch die Türkei mitmachen dürfen.“

In Brüssel wurde dies nicht nur als Seitenhieb auf die aus türkischer Ansicht ungenügenden Hilfsbemühungen Europas verstanden, sondern auch als versteckte Drohung: Erdoğan könnte noch mehr Flüchtlinge über die Ägäis nach Griechenland schicken.

Genau das will die EU verhindern – und biedert sich deshalb bei Erdoğan an. Nicht nur Gipfelchef Tusk bemüht sich um Schönwetter. Auch die EU-Kommission umwirbt den AKP-Politiker, den sie wegen seiner Angriffe auf die Meinungsfreiheit und seines unerklärten Kriegs gegen die Kurden verurteilen müsste. Der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn will eine Milliarde Euro freigeben.

Eigentlich war das Geld zur Vorbereitung auf den EU-Beitritt gedacht, nun wird es für „Flüchtlingshilfe“ umfunktioniert – oder besser: dafür, dass die Türkei die Syrer von der Weiterreise nach Europa abhält. So offen sagt dies niemand in Brüssel. Aber pünktlich zum EU-Gipfel kam am Mittwoch die Meldung, dass Ankara begonnen hat, die Reisemöglichkeiten von Syrern zu beschränken. Tusk und Merkel dürfen sich über einen ersten „Erfolg“ freuen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Das Rücknahmeabkommen mit der EU tritt erst 2017 in Kraft.

     

    Die EU müsste wegen dem unerklärten Krieg gegen die Kurden die Türkei verurteilen?

    Die EU Politiker sehen im Gegensatz zur Taz die PKK nicht als die Kurden, wenn also Türken und Kurden gegen die PKK vorgehen, dann ist das kein Krieg gegen die Kurden sondern gegen eine Gruppe.

    Hat also mit USA nichts zu tun sondern mit Menschenverstand, dann erübrigt sich auch die Frage warum sie nicht verurteilt wird.

    Die Peschmerga im Irak wollen die PKK nicht, das sind Kurden die mit der Ideologie der PKK nichts anfangen können.

    Was gibt es jetzt an den daraus folgenden logischen Fakten, das ein Krieg mit Kurden gegen die PKK geführt wird und die PKK nicht die Kurden sind nicht zu verstehen????

  • Recep Tayyip Erdoğan hat mit seinem Premierminister Davutuglo Syrien in Trümmern gelegt. Der Norden des Landes ist außerhalb der kurdischen Gebiete ein einziges Chaos mit steter Gewalt, extralegalen Hinrichtungen und einer Art Notstand ohne Regeln. Dass die Syrer dieses Gebiet verlassen, hat Erdoğan nicht gestört. Im Gegenteil letztes Jahr hat er noch großspurig erklärt, die Türkei brauche keine EU-Hilfen für die syrischen Flüchtlinge. Nun sind ihm die Flüchtlinge zu viel geworden und er ließ einfach mal ziehen, egal wohin. Genauso egal eben, wie viele Syrer in der Türkei existieren. Sie werden dort pausenlos schickaniert, belästigt, beschimpft und fasten ein Leben unterhalb der türkischen Unterunterschicht.

     

    Der Punkt ist doch, dass die EU, Rußland und die USA vekennen, worum es Erdoğan geht: Er will die ganze Macht in seinem Land. Der Rest ist ihm egal.

     

    Kürzlich hat er noch die EU dafür verantwortlich gemacht, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Begründung: Die Europäer seien ja nur auf Rohstoffe, vor allem Öl aus. Dass die Türkei sich ganz genauso verhält, verschweigt er. Die Türkei war wirtschaftlich aktiv in Syrien und Libyen, ist momentan sehr stark in Kurdistan und Irak. Hemmschwellen hat das Land selber nicht.

     

    Der Mann ist ein Problem. Das ist der Kern der Sache. Mit ihm gibt's 0 Lösungen. Ohne ihn vielleicht schon = besser man wird ihn jetzt schnell los.

    • @Andreas_2020:

      Recep Tayyip Erdoğan hat mit seinem Premierminister Davutuglo Syrien in Trümmern gelegt.

       

      beleg?

      • @TinTim:

        guckst Du hier:

        http://www.taz.de/!5056529/

        • @Ulfi Spassvogel:

          Ja und die Special Forces haben kürzlich jede Menge Dokumente bei einer Operation erhalten, die es sogar schwarz-auf-weiß belegen. Aber Obama will damit ja nix anfangen, weil er glaubt, dass er Erdogan braucht. Fragt sich bloß wofür?

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    "Die Türkei müsste sich als EU-Beitrittskandidat auch an die Grundregeln der EU-Außen- und Asylpolitik halten."

    Manche Leute haben nichts verstanden. Türkei will gar nicht EU. Da bildet der Autor was ein. An seiner Stelle werde ich mich schämen, wenn ich die Bilder aus Ungarn aus Kroatien und brennende Flüchtlingsheime aus Deutschland. Die Deutschen reden noch von Willkommen Kultur. Wie passt denn Brennende Flüchtlingsheime und willkommen Kultur zusammen! Sie versuchen von den europäischen Rassismus abzulenken. Falls deutsche Mob noch nicht mitbekommen hat, die Flüchtlinge leben schon seit 4 Jahren in der Türkei. Die EU, die USA und die reichen westlichen Staaten die Hauptschuld an dieser Völkerwanderung tragen und dafür müssten die Länder wie Türkei, Libanon, Jordanien usw. gerade stehen. Ausschotten löst keine Probleme.

    An Erdogan stelle würde ich alle 3 Millionen Flüchtlinge nach Europa gehen lassen. Europa soll zu sehen, wie sie mit dem Probleme klar kommen. ich würde kein einzige Flüchtlinge zurückhalten. Das ist europäische Problem, aber Europa kennt ja nichts anderes als Ausbeutung.

    Europa glaubt selbst nicht, dass sie mit 1 Milliarden Euro Türkei kaufen können. Das zeigt schon die falsche Einstellung von den Europäer. Statt das Problem an Wurzeln zu lösen, ergreifen sie immer den schmutzigen Maßnahmen.

    Wir, Europäer sollen uns schämen. Ein können wir gut. Die Schuld immer bei den anderen suchen.

  • Wenn ich diese Absichten der EU-Politiker wie die des polnischen Ratspräsidenten Tusk, eines erklärten erklärten Flüchtlingsabwehr-Experten, analysiere, dann wird mir übel.







    Sie wollen sich mit einem Antidemokraten und Staatsterroristen wie Ergan zusammentun und ihn noch mit EU-Milliarden subventionieren, damit er uns die syrischen Flüchtlinge vom Leib hält. Das als Belohnung dafür, daß er die Kurden verfolgt, als Terroristen bombadiert, obwohl diese (insbesondere die PKK) als einzige eine effektive Bekämpfung der IS gewährleisten.







    Bitte entschuldigt meine Ausdrucksweise, aber von welcher Schwachsinnigkeit und Inhumanität sind diese heuchlerischen inkompetenten Schrottpolitiker der EU ausgestattet, daß sie nicht selbst schämen. Sie dürfen ihre Destruktivität, die die EU in den Abgrund treibt, ungehindert und ungestraft ausüben, ohne daß sie der Bürgerzorn in die Schranken weist.







    Kommentar bearbeitet. Bitte achten Sie auf Ihre Wortwahl.

    • @Peter A. Weber:

      Als Terrorist bombardiert?

      Sind also keine Terroristen?

      Die PKK ist eine Terrororganisation in der EU in den USA und in der Türkei.

      Das sind gute Terroristen weil sie gegen die IS kämpfen?

      Wo?

      Die PKK hat gegen die IS nur solange gekämpft, solange diese deren Gebiete beanspruchten. Kein IS im Kurdengebiet kein Kampf der Kurden gegen die IS.

      Erkennen Sie den Unterschied?

      Die Kurden werden nicht ausziehen um die IS zu vernichten, auch so sehr Sie sich das einreden.

      Sie können nicht akzeptieren, dass der Türkei jetzt entgegen gekommen wird.

      Das liegt an an einer gewissen Selbstüberschätzung.

      Sie erkennen nicht, dass es zwischen Schlecht und Schlechter keine andere Wahl gibt.

      Mit Ihrer Einstellung hätten wir bald das 10 fache an Flüchtlingen hier.

    • @Peter A. Weber:

      staatsterrorist also

      weil er einer terrororganisation nicht freie hand lässt im eigenen land? achso

    • @Peter A. Weber:

      Und mir wird übel, wenn Menschen als Abschaum bezeichnet werden.

      Soviel zu Ihrer persönlichen Moral/Ethik/wasauchimmer.

    • @Peter A. Weber:

      Nachtrag: Was ich noch vergessen habe zu erwähnen, das ist die unerträgliche Ignoranz unser Politiker - ob national oder EU -, die zwar proklamieren, daß sie die Ursachen der Flüchtlingsmiseren angehen wollen, aber dies sich erschöpft in Schleuserbekämpfung oder militärischen Abwehrmaßnahmen. Sie sind noch nicht einmal bereit, ein entsprechendes Schuldeingeständnis auszusprechen. Geschweige davon, daß sie bereit sind, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

       

      Wer hat jemals von EU- oder deutschen Regierungspolitikern das Eingeständnis gehört, daß wir - die EU, die USA und die reichen westlichen Staaten die Hauptschuld an dieser Völkerwanderung tragen? Wie erbärmlich ist diese sog. Elite? Kein Charakter, keine Ehrlichkeit, kein Rückgrat!

       

      Es beginnt bei der westlichen Kolonialpolitik, setzt sich fort in der Imperial- und Kriegspolitik der USA, der unfairen Handels- und Wirtschaftspolitik der reichen Länder, den Freihandelsabkommen, die die armen Länder verelenden lassen, den Klimakatastrophen, die nicht zuletzt durch die westliche Welt verursacht wurden und endet in sog. kapitalistisch-marktwirtschaftlich abgesegneten Waffenlieferung an aller Potentaten dieser Welt, sofern sie zahlen können. Moral und Ethik: Fehlanzeige!

  • Das zeigt unsere wahre Qualität der EU "Werte-Gemeinschaft". Es geht um Geld und nicht um Menschen! Das würde uns selbst zur Beendigung dieser EU Gemein-Schaft zwingen. Zur Verhinderung solcher miesen Qualitäten haben die Engländer 1887 den Begriff "Made in Germany" geschaffen. Das würde unsere Deutsche Führungsrolle in der EU treffend beschreiben (siehe ADAC Tests oder Auto Abgastests).

     

    Die Werte-Gemeinschaft hat sich auf qualitative Werte geeinigt:

    Die in Artikel I-2 genannten Werte der Union: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen,die Minderheiten angehören.

    Das gilt auch für die Behandlung von Flüchtlingen!

     

    Wenn wir das nicht wollen, können wir ja selbst aus der EU freiwillig austreten.

  • Wer Erdogan vertraut ist von allen guten Geistern verlassen!

    Er wird die Europäer wie eine Milchkuh melken, wenn er dazu die Gelegenheit bekommt. Er und seine Familie sind so "scharf und geil" auf €-und $-Scheine in Schuhkartons. In Ihren privaten Häuser unterhalten sie sogar verschiedene Marken von Hoch-Leistung-Geldzählmaschinen.

    • @Malcon Gandie:

      ihr kemalisten seid einfach nur zum schießen.

      80 jahre lang das volk klein gehalten und entwürdigt, entwurzelt und unterdrückt wo es nur ging und dann mit einem dämlichen gesichtslosen vorsitzenden einen auf gewissen der nation machen und hetzkampagnen gegen erdogan und seine familie starten, mit den gülenisten gemeinsame sache machen, sich für die pyd einsetzen und noch so wahnsinnige dinge, hauptsache man kriegt erdogans akp abgewählt. das ist durchschaubar und hat mit gewissenhafter politik so wenig zu tun wie die erdogan vorgeworfene mentalität.