Folgen des Amoklaufs: Warnschuss überhört
Sollen Sportschützen scharf schießen oder nur noch elektronisch? Der Berliner Verband streitet darüber - und erhält Hausverbot an einigen Schulen.
Nach dem Amoklauf von Winnenden und den Todesschüssen von Eislingen ist der Schützenverband Berlin-Brandenburg in ein tiefes Imageloch gefallen. In beiden Fällen stammten die Mordwaffen aus einem Schützenverein. Schulen in Berlin und Brandenburg, in denen die Sportschützen bisher ihre Sportart präsentieren durften, erteilen den Sportlern jetzt erste Hausverbote. Intern ist bei den Sportschützen zudem ein offener Generationenkonflikt ausgebrochen. Er spaltet den Berliner Sportverband in Traditionalisten und Modernisierer und vor allem bei der Suche nach Lösungen in der Frage: Soll weiterhin mit scharfer Munition geschossen werden? Oder wäre es elektronisch nicht besser und sicherer, wie es die Modernen Fünfkämpfer nun vormachen?
Wie deutlich der Dissens ist, zeigte eine Informationsveranstaltung, zu der der Landessportbund Berlin (LSB) vor einigen Tagen in das Landesleistungszentrum Sportschießen in Spandau eingeladen hatte. "Wenn unsere Sportart nicht mehr an den Berliner Schulen erwünscht ist, dann ist es eben so und lässt sich auch nicht ändern", erklärte Gerhard Kilian, Fachwart für Waffenrecht im Schützenverband Berlin Brandenburg.
Karin Christopeit ist da ganz anderer Meinung. Die Jugendleiterin im Schützenverband Berlin-Brandenburg hat gerade nach dem Amoklauf von Winnenden die Erfahrung gemacht, dass ihre Bemühungen, den Schießsport für die Berliner Jugend zu öffnen, mächtig ins Stocken geraten sind. Und das will sie so nicht hinnehmen. "Zwei Berliner Schuldirektoren haben uns bereits Hausverbot erteilt" erklärt die 58-Jährige im Keller des Spandauer Schießzentrums. Welche es sind, das will der Verband allerdings nicht verraten.
Die Schützen haben sich bisher, wie viele andere Verbände auch, am LSB-Projekt "Schule-Sportverein" beteiligt. Das kümmert sich darum, dass Berliner Sportverbände an Schulen in freiwilligen Arbeitsgruppen ihre Sportart attraktiv präsentieren können und durch diese Maßnahme für Nachwuchs werben können. Ein überalterter Verband wie die Sportschützen in Berlin-Brandenburg hat das bitter nötig. Von den 6.700 Mitgliedern, die in 117 Vereinen in Berlin auf Scheiben, Tontauben und anderes (scharf) schießen, sind nur 550 jünger als 20 Jahre. "Doch welche Berliner Schule erlaubt nach Winnenden noch, dass auf ihrem Schulgelände geschossen wird?", fragt sich wohl nicht nur die besorgte Jugendleiterin Christopeit. Eine gleichlautende taz-Anfrage an den Bildungssenator wurde bis zum Redaktionsschluss nicht beantwortet.
Christopeit plädiert jetzt offen für das elektronische Schießen statt das Ballern mit scharfer Munition. Immerhin seien die Sportschützen wenigstens an einer Schule im brandenburgischen Birkenwerder willkommen, sagt die Jugendleiterin - dort allerdings ohne scharfe Munition.
Gerhard Kilian hält von alldem nur wenig. Er gilt als Traditionalist in dem Schützenverband und war so etwas wie der inoffizielle Wortführer der Sportschützen an dem Informationsnachmittag. Schon bevor es in den Keller zum Schießstand ging, erklärte er kategorisch: "Wir halten das Schießen mit scharfer Munition weiterhin für richtig. Was die Modernen Fünfkämpfer nun veranstalten, das wollen wir nicht." Eine echte Begründung dafür lieferte der pensionierte Polizeibeamte allerdings nicht. Vielmehr verwies Kilian auf das bestehende Waffenrecht und die zahlreichen Kontrollmechanismen, die ein Schütze zu durchlaufen hat, bis er scharf schießen kann.
Kritik prallt ab
Eine Änderung des bestehenden Waffenrechts lehnt der Sportverband ebenso ab. "Das gültige Waffenrecht reicht völlig aus. Es ist doch sowieso, mit Ausnahme von England, das schärfste in ganz Europa", erklärt der Präsident des Schützenverbandes Berlin-Brandenburg, Peter Ringer. Auch von einer Zentralisierung der Waffen in Tresoren zum Beispiel in Schützenvereinen halten die Freunde des sportlichen Schusses nicht viel. "Diese Art der Waffenlagerung fordert bestimmte Leute doch nur auf, sich der Waffen illegal zu bemächtigen", erklärte Gerhard Kilian. Nach geltendem Recht dürfen die Sportschützen ihre Waffen zu Hause lagern.
"Die Alten wollen alles beim Alten lassen und kritiklos die Tradition pflegen. Ich selbst plädiere schon seit längerer Zeit zum Beispiel dafür, das elektronische Schießen einzuführen. Gerade im Nachwuchsbereich", erläutert Christopeit ihre Minderheitenmeinung im Verband. Schließlich mache es elektronisch genauso viel Spaß, die Zehn zu treffen - und das Ziel sei doch gleich. Deswegen würde der sportliche Ehrgeiz nicht leiden.
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