Folgen der Flugverbote: Die Globalisierung legt eine Pause ein
Die Sperrung des europäischen Luftraums beeinträchtigt den Welthandel und sorgt für Millionenverluste selbst in Asien und Afrika.
BERLIN taz | Norwegen suspendiert seine Lachsexporte in die USA. Chilis aus Ägypten könnten in Deutschland bald knapp werden, ebenso Nilbarsch aus Uganda und Thunfisch aus den Seychellen. In Japans Autofirmen wird die Produktion gedrosselt, in Hongkong stapelt sich die Luftfracht aus China, während Luxusrestaurants dort vergeblich auf belgische Schokolade und französischen Käse warten.
Der interkontinentale Welthandel verkehrt zwar größtenteils auf See, aber in Sektoren, die auf schnelle Lieferung angewiesen ist, hat die vulkanbedingte Luftraumsperre über Europa in den letzten fünf Tagen für erhebliche Probleme gesorgt. Es geht neben schnell verderblichen Lebensmitteln um hochwertige Elektronikgeräte wie Computer und Mobiltelefone, um Luxusmode und um in Asien hergestellte Minikomponenten für die europäische verarbeitende Industrie.
Nach Berichten vom gestrigen Dienstag belaufen sich die Einnahmeausfälle Südkoreas, dem am stärksten betroffenen Land, durch nicht gelieferte Exporte auf 112 Millionen Dollar.
Immerhin können elektronische Güter oder Textilien zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert werden, sodass kein dauerhafter Schaden entsteht. Unrettbar verloren hingegen und damit auch ein finanzieller Totalausfall sind die in Afrika für den europäischen Markt angebauten Blumen und Früchte.
In Kenia, wo die Blumenzucht letztes Jahr der wichtigste Devisenbringer mit umgerechnet 700 Millionen Dollar Einnahmen gewesen ist, mussten in den letzten Tagen täglich 1.000 Tonnen Rosen, Nelken und Lilien weggeschmissen werden, weil die Frachtflüge nach London und Amsterdam eingestellt sind. Das bedeutet Einnahmeverluste für das Land von umgerechnet 3 Millionen Dollar am Tag.
5.000 Tagelöhner, die die Blumen zum Export verpacken, wurden bereits entlassen; am internationalen Flughafen von Nairobi stapelten sich zu Beginn des Flugverbots 3.000 Tonnen Blumen und Gemüse. Die Kehrseite: Wer sich in Nairobi sein Haus schmücken will, bekommt jetzt für wenige Euro Hunderte erstklassige Rosen nachgeschmissen.
Ähnlich, aber weniger dramatisch sind die Auswirkungen in Äthiopien und Sambia, den anderen beiden großen Blumenzüchtern in Afrika. Die beiden Länder verlieren Exporte von rund 150 Tonnen Blumen täglich. Senegal exportiert frischen Fisch nach Europa; auch dies geht jetzt nicht mehr. In all diesen Ländern fehlt etwas, was zum Beispiel Israel als einem anderen Blumenexporteur nach Europa über die Krise hilft: die Möglichkeit des großflächigen Einfrierens. Aber mit nur wenigen Tonnen am Tag fällt Israel kaum ins Gewicht.
Für viele arme Länder rächt sich nun auch die nahezu komplette Abhängigkeit von europäischen Fluglinien für den Interkontinentalverkehr. Von Senegal bis Ruanda sitzen Hunderte europäische Touristen und Tausende afrikanische Reisende fest - weil die Maschinen, mit denen sie nach Europa fliegen wollen, in Europa am Boden sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen